: berliner szenen Am Winterfeldtplatz
Von 1 bis 2 Uhr
„Hallo.“ – „Hallo. Ein Kristallweizen hätt ich gerne.“ – „Okay.“ Das war’s. Korrekter Dialog, so unter Nachteulen.
Ich nehme das Glas und setze mich auf eine der Bänke draußen auf Lauerposition. Ich bin hier der einzige Gast. Zehn Minuten später kommt der Kellner und beginnt die Bänke hoch zu stellen. Auf meinen fragenden Blick gibt er Entwarnung: „Lass dich nicht stören.“ Meine Bank bleibt unten. Der Winterfeldtplatz an diesem Dienstag im Mai zwischen 1 und 2 Uhr: ein Platz des Lebens-und-leben-Lassens; nicht mehr wie in wilden Zeiten mit Nacht-zum-Tag-machen-Feierlust, aber noch mit milder Solidarität unter denen, die noch nicht ins Bett gefunden haben.
Es ist aber doch die Stunde, an der der Platz gähnt, sich noch einmal räkelt, um sich darauf schlafen zu legen. Tischewischen und Stühleanketten überall. Um 2 werden das Tim’s, das Amrit und auch das Slumberland zu sein. Nur bei Habibi kann man noch Falafel essen. Das letzte Licht in diesem schrecklich welligen Balla-Haus, auf das ich blicke, ist schon um 1.17 Uhr ausgegangen; um 1.21 Uhr geht im ersten Stock noch mal Licht an, um 1.40 Uhr ist es endgültig wieder aus. Und bei allen Taxis leuchtet das Taxischild – auf der Suche nach Kundschaft.
Das Bierglas ist dann leer. Ich gehe noch einen Kontrollgang. Kein „reniltalF“-Krankenwagen heute. Diesmal wird direkt auf dem Spielplatz beim Kindertheater der Rasen gesprengt. Als ich nach Hause gehe, führt noch ein Paar auf einer Bank des Platzes ein Beziehungsgespräch. Sie hat ihre Beine über seine Oberschenkel gelegt, während er energisch auf sie einredet. Dann bin ich weg, und sie haben den ganzen Platz für sich. DIRK KNIPPHALS
(2 bis 3 Uhr: kommenden Freitag)