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Archiv-Artikel

Kongo als „respektable Nation“

Präsident Joseph Kabila in der Demokratischen Republik Kongo verkündet Regierungsbildung. Jetzt gehen die bisherigen Rebellen und bewaffneten Gruppen in der neuen Regierung auf und das geteilte Land wird wiedervereinigt – hoffentlich

von DOMINIC JOHNSON

Der Krieg im Kongo ist zu Ende. Das hat Präsident Joseph Kabila per Dekret beschlossen. Das Dekret 03-06, unterzeichnet am Abend des 43. Unabhängigkeitstag des Landes am 30. Juni, benennt 35 Minister und 24 Vizeminister aus allen Kräften des Landes für eine Übergangsregierung.

Das Dekret war der krönende Abschluss einer Feier zum Unabhängigkeitstag, die der Präsident im westkongolesischen Mbandaka abhalten ließ. In Anwesenheit des UN-Gesandten Moustapha Niasse nahm der Präsident eine mehrstündige Parade ab: Nach Armee und Präsidialgarde folgten unter anderem „Ehefrauen der Marinesoldaten“, die einen großen Fisch vor sich hertrugen; es marschierten Staatsbeamten, aufgeteilt in „passive“ und „aktive“, und zum Schluss Vertreter von Berufsgruppen mit ihren Werkzeugen, also Schneider mit Schaufensterpuppen oder Krankenpfleger mit Kondomen.

Am Abend hielt Kabila dann eine feierliche Fernsehansprache, in der er den Kongo zu Frieden und Einheit aufrief. „Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren“, so der Präsident. „Wir müssen nach vorne gehen, um die legitimen Hoffnungen unseres Volkes zu erfüllen und aus unserem Land eine respektable Nation zu bauen.“ Es gebe jetzt „keinen Vorwand, die Einsetzung der neuen Institutionen zu verzögern“.

Kongos Kriegsparteien hatten die Allparteienregierung im Dezember 2002 in Südafrika vereinbart, und eine entsprechende Übergangsverfassung war im April in Kraft getreten. Die Konstruktion sieht vor, dass Kabila Präsident bleibt und von vier mächtigen Vizepräsidenten flankiert wird, die jeweils dem bisherigen Regierungslager, den bisherigen Rebellenbewegungen RCD (Kongolesische Sammlung für Demokratie) und MLC (Kongolesische Befreiungsbewegung) und der bisherigen zivilen Opposition entstammen. Außerdem werden die Sitze in Kabinett und Parlament unter allen politischen Strömungen aufgeteilt.

Dass es so lange dauerte, diese Einigung auch umzusetzen, hatte zwei Gründe. Zum einen entwickelte sich Streit innerhalb der zivilen Opposition, der nun zur Folge hat, dass Kongos größte zivile Partei UDPS (Union für Demokratie und Sozialen Fortschritt) die Allparteienregierung boykottiert. Zum anderen einigten sich die Kriegsparteien erst am vergangenen Sonntag auf die Kommandoposten innerhalb der zukünftigen Armee.

Die Bildung der Allparteienregierung beendet den Krieg im Kongo noch nicht. Irreguläre Milizen sind im Ostkongo weiterhin aktiv, und radikale Gruppen, die von einem Ausverkauf des Landes sprechen, haben längst den Kampf gegen die Friedensverträge ausgerufen.

Als unmittelbares Ergebnis der Regierungsbildung hoffen die Kongolesen zunächst auf die Wiedervereinigung ihres Landes. Seit 1998, als Militärs im Osten des Landes gegen den damaligen Präsidenten Laurent Kabila meuterten und daraus die Rebellenbewegung RCD entstand, war der Kongo geteilt: In der Hauptstadt Kinshasa amtierte die Regierung Kabila, im ostkongolesischen Goma die RCD, und später kamen im Norden und Nordosten weitere Gruppen mit eigenen Warlordgebieten dazu. Seit 2001 überwachen UN-Blauhelme die Waffenstillstandslinie zwischen Regierungs- und Rebellengebiet; aber einfache Menschen können nicht direkt von einem Landesteil in den anderen reisen.

All das soll sich jetzt ändern, sagte Kabila in seiner konkretesten Ankündigung: „Ab jetzt ist der freie Personen- und Warenverkehr auf dem gesamten Staatsgebiet unbeschränkt.“ Allerdings ist noch unklar, wie die unterschiedlichen Armeen, die die jeweiligen Herrschaftsgebiete kontrollieren, aufgelöst und in die zukünftige gemeinsame Armee integriert werden sollen. Die Rebellen hielten jedenfalls am Montag noch jeweils eigene Unabhängigkeitsfeiern ab.

Und wann die neue Regierung tatsächlich in Kinshasa ihre Ämter antritt, ist ebenfalls offen. Denn für ihren Schutz ist eine massive Stärkung der UN-Mission im Kongo notwendig. Einen Beschluss darüber hat der UN-Sicherheitsrat letzte Woche aber mangels Konsens auf Ende Juli verschoben.

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