: Kiel setzt auf Abfangjäger
Das Atomkraftwerk Krümmel darf weiter betrieben werden. Die Kieler Atomaufsicht hält Gefahr eines Terroranschlags für wissenschaftlich nicht erfassbar – und verlangt für diese Auskunft 2.010 Euro
Die Betriebsgenehmigung für den Atommeiler Krümmel bei Geesthacht wird nicht widerrufen. Das hat das schleswig-holsteinische Sozialministerium entschieden, das für die Atomaufsicht im Lande zuständig ist. Damit lehnte es einen Antrag des früheren niedersächsischen Landtagsabgeordneten Andreas Meihsies (Grüne) ab. Und drückte ihm zugleich einen Bescheid in Höhe von 2.010 Euro an Verfahrenskosten auf.
Meihsies hatte vor genau einem Jahr, am 15. Januar 2008, einen Antrag eingereicht, Krümmel stillzulegen, weil der Reaktor nicht gegen Flugzeugabsturz gesichert sei. Das gelte insbesondere bei einem terroristischen Anschlag mit einem großen Passagierjet. „Die Schutzmaßnahmen sind ausgelegt gegen den Aufprall eines Kleinflugzeugs oder Düsenjets“, sagt Meihsies, der sich als „betroffener Anwohner“ sieht. Er wohnt in Lüneburg, nur 17 Kilometer Luftlinie vom Atommeiler an der Elbe entfernt.
In dem ablehnenden Bescheid vom 30. Dezember 2008, der vorige Woche bei Meihsies einging, heißt es, „der (terroristische) Flugzeugabsturz“ sei kein Störfall im Sinne der einschlägigen Vorschriften, weil er „nicht von der Anlage oder ihrem Betrieb“ ausgehe. Vielmehr handele es sich um „ein zielgerichtetes Handeln von Terroristen, das im Hinblick auf Intensität und Eintrittswahrscheinlichkeit nicht mit wissenschaftlichen Mitteln erfassbar ist“. Zwar sei der Behörde ein solches Szenario „durchaus bekannt“, doch sei leider „ein absoluter Schutz letztlich nicht erreichbar“. Allerdings seien als letztes Mittel in einer Reihe von Schutzmaßnahmen „militärische Abfangjäger als Alarmrotten einsatzbereit“.
Genau diese Passage aber widerspricht einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19. September 2007. Damals wurde der im Luftsicherheitsgesetz erlaubte Abschuss von Passagiermaschinen, die von Terroristen entführt wurden, für verfassungswidrig erklärt. Deshalb findet Meihsies diese Argumentation des Sozialministeriums „absurd“.
„Wir werden den Nachweis führen, dass eine Gefährdung vorliegt und eine ausreichende Vorsorge nicht getroffen wurde“, sagt nun Meihsies’ Anwalt Ulrich Wollenteit. Gerade der Umstand, dass die Große Koalition im Bund die Lizenz zum Abschuss in das Gesetz hineingeschrieben hat, beweise das Risiko eines Terroranschlags auf ein Atomkraftwerk mit einen Flugzeug. Wollenteit bereitet jetzt eine Klage gegen den Bescheid aus Kiel vor.
SVEN-MICHAEL VEIT