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Archiv-Artikel

Ende der rot-weißen Abstinenz

Rot Weiß Essen steigt durch einen Sieg im Wattenscheider Lohrheidestadion gegen die Schalker Amateure in die zweite Fußball Bundesliga auf. Der Stamm der Mannschaft soll erhalten bleiben. Pläne für ein neues Stadion liegen bereit

WATTENSCHEID taz ■ Eine Woche des Glücks liegt hinter Essen. Am Donnerstag wurde die Stadt zu Nordrhein-Westfalens Kandidatin für die Wahl zu Europas Kulturhauptstadt 2010 gekürt. Am Samstag, gelang dem rot-weißen Sportklub aus der sechstgrößten Stadt Deutschlands der Sprung in die Zweite Fußball-Bundesliga. Mit einem 7:0 gegen die Amateure von Schalke 04 fand eine siebenjährige Phase der Abstinenz vom Profifußball ihr Ende. 51 Jahre nach dem letzten Pokalsieg, 50 Jahre nach den Berner Großtaten des Esseners Helmut Rahn und 49 Jahre nach der letzten Meisterschaft des Klubs.

Es war ein stilles Glück, das die Essener Verantwortlichen an diesem Nachmittag genossen. „Ich freue mich ganz ruhig und innerlich“, meinte Trainer Jürgen Gelsdorf. Hinter ihm stürmten die Fans das Spielfeld, irgendwo wurden Sektfontänen herumgewedelt und eine schwarze Kiste mit hübschen Aufstiegs-T-Shirts stand auch bereit. Aber der Trainer suchte die Ruhe.

Wie sein Kapitän. Bjarne Goldbaek, mittlerweile 35, stand vor der Kabine und wirkte fast ein wenig entrückt, als sein dänisches Mundwerk sagte, „ja, die Heimspiele, die waren schon witzig und lustig, aber auswärts vor 2.000 Zuschauern...“, dann drehte er sich um, hinter ihm spritzten ein paar jüngere Spieler Bier durch den Umkleideraum, und ergänzte mit weiser Müdigkeit: „Besonders für die jungen Spieler.“ Dieses Auswärtsspiel konnte Goldbaek indes nicht gemeint haben, als er an triste Regionalliga-Nachmittage erinnerte. Von den 11.000 Zuschauern im Wattenscheider Lohrheidestadion, wo die abstiegsbedrohte Schalker U 23 ihre Heimspiele austrägt, waren 9.000 aus Essen. Ein guter Rahmen, ihr Trauma zu besiegen.

In den vergangenen beiden Jahren scheiterte Essen jeweils im Saisonfinale unter bisweilen dramatischen Umständen und zementierte den Ruf des ewigen Verlierers. RWE spielte bis 1977 in der Bundesliga. Nach sportlicher Talfahrt und zwei Lizenzentzügen fand man sich vor sieben Jahren gar in der Oberliga wieder. Dort übernahm die jetzt amtierende Führung den Klub, vollbrachte im ersten Jahr den Aufstieg in die Regionalliga, seither warteten die Anhänger vergeblich auf die Rückkehr in die Zweite Liga. Auch diese Saison war zunächst „sehr unruhig“, wie Gelsdorf vornehm ausdrückte – er ist der dritte Trainer dieser Spielzeit, Harry Pless wurde nach vier Partien entlassen und Nachfolger Holger Fach kehrte nach drei Spielen zurück nach Mönchengladbach, wo er Ewald Lienen beerbte. Dann kam Gelsdorf und formte ein stabiles Kollektiv, das zuletzt sieben Spiele in Folge gewann, nach der Winterpause ungeschlagen blieb.

„Diesen wunderbaren Zusammenhalt der Mannschaft“ bezeichnete Gelsdorf auch als wichtigsten Baustein des Erfolges und sagte vorausschauend: „Das müssen wir mitnehmen in die nächste Saison“. Um den guten Geist nicht zu verjagen will man laut Sportdirektor Frank Kotny „nur drei bis vier Spieler dazuholen“, was heißt, die Leistungsträger bleiben weitgehend die alten: Goldbaek natürlich, der Holländer Erwin Koen, mit 18 Treffern bester Torschütze, die bundesligaerfahrenen Hilko Ristau, Marcus Wedau und Sebastian Schoof, sowie der junge Ali Bilgin: „Für mich der schönste Tach, ich bin umme Ecke vom Stadion geboren“.

Das Fundament für eine bessere Zukunft des Traditionsvereins soll indes ein neues Stadion bilden. Präsident Rolf Hempelmann meint: „Noch in diesem Jahr wollen wir den ersten Spatenstich durchführen“, für eine Arena mit 32.000 Plätzen. Am kommenden Mittwoch entscheidet der Essener Stadtrat über das Projekt. „Wenn dieses Stadion steht, dann sind wir für die Zukunft bestens gerüstet“, meint Hempelmann, und Goldbaek ergänzt, „Ich hoffe, dass die zahlreichen Essener Weltkonzerne ein bisschen was dazu tun.“ Nicht umsonst trägt der in Essen ansässige Trikotsponsor (RWE) rein zufällig den selben Namen wie der Fußballklub.

DANIEL THEWELEIT.