Abzocke im Namen Allahs

Tausende gläubige Muslime wollten islamisch-korrekt bei der Yimpaș-Holding Geld anlegen. Dabei verloren viele türkischstämmige Kölner ihre Ersparnisse. An wen und warum zeigt eine WDR-Doku

VON PASCAL BEUCKER

Göttliche Renditen mit dem Segen Allahs waren ihm versprochen worden. Hätte der Vater von Murat Çetinkaya da Nein sagen sollen? Also investierte der gottesfürchtige Mann. Über 100.000 Mark. Soviel, wie ihm am Ende eines langen Erwerbslebens in Köln an Rücklagen übrig geblieben waren. „Wir haben unseren Vater nie gesehen, er hat immer nur gearbeitet“, berichtet Murat Çetinkaya. Er ist wütend und seine Wut ist verständlich.

Denn die Ersparnisse, die sich sein Vater über Jahrzehnte hart erschuftet hatte, sind weg. So wie die von bis zu 300.000 anderen „Deutschländern“ auch. Sie fielen auf türkische Geschäftemacher herein, die skrupellos den Glauben ihrer Landsleute ausnutzten, um „den Schatz der Gastarbeiter“ zu heben.

„Unsere eigenen Leute haben uns abgezogen“, schimpft Çetinkaya, der in Köln-Buchheim lebt. Wie sein Vater ist auch der 27-Jährige hereingefallen. Mehrere zehntausend Mark hat er „investiert“ – und verloren. Doch damit wollte er sich nicht abfinden und machte sich zusammen mit einem Freund auf Spurensuche. Sie beginnt in Köln, führt über Aachen, nach Sindelfingen, in die Schweiz und bis nach Anatolien. Begleitet wurden sie von den Kölner JournalistInnen Yüksel Ugurlu und Cornelia Uebel. Der dabei entstandene Film, den heute Abend der WDR ausstrahlt, wirft einen beklemmenden Blick in die Abgründe der islamischen Parallelökonomie. Er handelt von einem Finanzskandal, der vom Ausmaß her die schlimmsten Betrügereien am Neuen Markt in den Schatten stellt. Von dem aber die deutsche Öffentlichkeit bislang fast keine Notiz genommen hat.

Es geht um die so genannten Islam-Holdings, die einen profitablen Ausweg aus einem religiösen Dilemma zu bieten schienen: Der Koran verbietet Gläubigen, Zinsen einzunehmen, weshalb sie ihr Erspartes nicht einfach bei Banken anlegen können. Allerdings dürfen sie sich an Unternehmen beteiligen und dann von den Gewinnen profitieren. Für diese Möglichkeit warben die türkischen Firmen mit Vorliebe im Ausland gerade dort, wo gläubige Muslime am ehesten anzutreffen sind: in den Moscheen.

Die bedeutendste und geschickteste dieser Holding ist Yimpaș – in der Türkei ein großer Konzern, in Deutschland vor allem bekannt durch seine Kaufhauskette. Es schien eine seriöse wie lukrative Sache: Unter anderem zehn große Kaufhäuser der Metro-Kaufhof-Horten-Gruppe hatte Yimpaș übernommen und zu streng islamisch wirtschaftenden Geschäften gemacht – inklusive spezieller Gebetsräume.

Auch in Köln unterhielt Yimpaș mehrere Geschäfte: einen Möbelladen und einen Supermarkt in Ehrenfeld sowie einen weiteren in Kalk. 50 solcher Läden sollten es insgesamt werden, erzählten eifrige Geldsammler. Dafür brauche man viel Kapital. Schon bald hatte der geschickt verästelte Konzern nach eigenen Angaben 120.000 Anleger gewonnen – und etliche hundert Millionen Mark.

Doch im Sommer 2002 begann die schöne Fassade zu bröckeln. Die Yimpaș-Tochter, die für die Kaufhäuser in Deutschland zuständig war, ging Pleite.

Der eingesetzte Insolvenzverwalter Karl-Heinrich Lorenz fand sich unversehens in einer anderen Welt wieder: Mehrere Tage benötigte er beispielsweise, um herauszufinden, wer als Betriebsleiter des Yimpaș-Kaufhauses in Ludwigshafen fungierte. Dann hatte er ihn aufgespürt: Es war der örtliche Imam. Der Gottesmann allerdings weigerte sich, mit einem Ungläubigen auch nur zu reden. Lorenz stellte fest, dass die Kaufhäuser von Anfang an unwirtschaftlich gearbeitet hatten. Zugleich sollen über die Yimpaș-Verwaltungsgesellschaft insgesamt 293 Millionen Euro Anlegergelder in die Türkei abgeflossen sein. Sein Fazit: „Die Geschäfte dienten dazu, Anleger zu werben.“ Ein Ex-Mitarbeiter wird deutlicher: „Die Kaufhäuser waren nur Fassade!“

Alles nur Tarnung zur Abzocke? Einiges spricht jedenfalls dafür, dass mit dem Geld der „Deutschländer“ die islamistische Bewegung in der Türkei gesponsort wurde: die Aktivitäten von Islamisten-Führer Necmettin Erbakan und die seines Ziehsohns Recep Tayyip Erdogan, des heutigen Ministerpräsidenten. Darauf weisen die Recherchen von Uebel und Ugurlu.

Die verantwortlichen Yimpaș-Manager jedenfalls haben sich längst aus Deutschland in die Türkei zurückgezogen. Sie spotten über die Abgezockten: „Die Leute müssen selbst ein bisschen schlau sein.“ An dem Yimpaș-Supermarkt in Ehrenfeld blieb nur ein Zettel vom Traum auf das islamisch-korrekte Geld zurück: „Geschlossen wegen Umbau.“

„Konkurs im Namen Allahs. Wie islamische Geschäftemacher die Deutschtürken ausnehmen“, WDR-Fernsehen, heute, 22.30 Uhr.