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Archiv-Artikel

Reanimierte Teufel

Kaiserslautern erkämpft ein 1:1, bleibt in der Bundesliga und vermasselt Dortmund den Start im Uefa-Cup

KAISERSLAUTERN taz ■ Diesmal war alles ganz anders als vor acht Jahren, als der 1. FC Kaiserslautern im letzten Spiel der Saison bei Bayer Leverkusen gewinnen musste, um in der Bundesliga zu verbleiben. Wochenlang vorher hatte man den toten Teufel damals an die Wand gemalt, Existenzen infrage gestellt, Umsätze purzeln und gar die schöne Pfalz untergehen sehen. Doch dieses Mal hatte der 1. FCK drei Punkte Vorsprung vor den Mitbewerbern um einen Startplatz in Liga zwei, Eintracht Frankfurt und 1860 München. Da diese aber die bessere Tordifferenz aufwiesen, musste zur Sicherheit im letzten Heimspiel gegen Borussia Dortmund schon ein Punkt her.

Hätte nicht der zum VfL Bochum wechselnde Vratislav Lokvenc nach einem Freistoß von Nenad Bjelica nach Fehler des BVB-Riesen Jan Koller schon nach sechs Minuten durch einen Kopfball das 1:0 erzielt, wer weiß, wie dieses Abstiegsszenario sich noch entwickelt hätte. So aber war auf dem ausverkauften Betzenberg nach 26 Minuten die Welt schon fast wieder in Ordnung, als auf den beiden Videotafeln auch noch die Spielstände aus Mönchengladbach und Hamburg übermittelt wurden: jeweils 1:1. Doch ganz sicher durfte man sich noch immer nicht fühlen. Schließlich nutzten die Dortmunder einige Unkonzentriertheiten in der Lauterer Abwehr zu gefährlichen Vorstößen und Aktionen, blieben aber im Abschluss ohne Erfolg. Und außer Marian Hristovs Pfostenschuss in der 31. Minute nach einem Fehler von Dede im Mittelfeld hatte der FCK in der ersten Halbzeit nicht viel zu bieten. Zu sehr spielte bei jedem Angriffsversuch des BVB die Angst vor dem Ausgleich mit, der in den ersten 45 Minuten mehrmals möglich gewesen wäre. Trainer Matthias Sammer machte seiner Mannschaft deshalb auch „keine Vorwürfe, weil sie sich nach dem 0:1 gefangen und gute Möglichkeiten erarbeitet hat“.

Überhaupt: Für die Lauterer stellte dieses letzte Spiel einer katastrophalen Saison einen permanenten Blick auf die Geschehnisse in Hamburg und auf dem Gladbacher Bökelberg dar. Vor allem aber war er ein Kampf mit der Zeit: Nach 63 Minuten bescherte Torhüter Ernst den 47.300 Zuschauern eine Schrecksekunde, als sein Abschlag verunglückte und über Umwegen bei Ewerthon landete, dessen Schuss nur knapp das Tor verfehlte. Aber Dortmund war am Drücker, drängte den FCK immer mehr in dessen Hälfte zurück und kam nach 71 Minuten durch Koller zum verdienten Ausgleich. Die Sprechchöre aus der Westtribüne verstummten; von „Hier regiert der FCK!“ konnte ohnehin nicht die Rede sein. Hier regierte die nackte Angst vor der Niederlage. Doch dann gab es Entwarnung: Der HSV führte weiter 2:1, Gladbach gar mit 3:1. Und Dortmund nutzte es auch nichts mehr, Tomas Rosicky zehn Minuten vor Schluss für Evanilson eingewechselt zu haben. Das Fernduell mit dem VfL Bochum um den Platz im Uefa-Cup hatten sie verloren, weil Bochum gegen Hannover gewonnen hatte.

14 Minuten später rollten Tonnen schwere Steine vom Betzenberg – aus Erleichterung, es trotz einer schlechten Saison mit einer verfehlten Personalpolitik und des Drei-Punkte-Abzugs geschafft zu haben. Trainer Kurt Jara verneigte sich erstmals seit seinem Kommen im Februar vor den Fans auf der Westtribüne und war „heilfroh, dass wir drin geblieben sind in der Bundesliga“. Der Mann, der ein angebliches Angebot von Austria Wien bestreitet, war aber auch „traurig, dass die Leistungsträger Lokvenc, Knavs und Klose den Verein verlassen“. Jara hingegen darf nach geschafftem Klassenverbleib wohl auch in der nächsten Saison FCK-Trainer sein – trotz der Majestätsbeleidigung gegen seinen Chef, René C. Jäggi, nach dem Spiel auf Schalke, als er Kritik gegen seine Person mit dem Hinweis gekontert hatte, man solle den Manager fragen, schließlich habe der die Mannschaft zusammengestellt.

Nach zwei dunklen Jahren des Abstiegskampfes und den schier endlosen Querelen im Verein wird es schwer sein, eine weitere Zittersaison zu vermeiden, auch wenn mit Carsten Jancker, Christian Nerlinger und Markus Babbel drei gestandene Profis unterschrieben haben bzw. als Neuzugänge im Gespräch sind.

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