piwik no script img

Archiv-Artikel

Vor der Altersarmut

betr.: „Die Generation Teneriffa“, taz vom 21. 6. 03

Hätten Sie doch den Gesprächen im Flugzeug etwas länger zugehört, dann hätten Sie erfahren, dass viele Ihrer Mitreisenden scharf rechnen: Überwintern auf Teneriffa kann insgesamt billiger sein als das Leben zu Hause – mit welchen perversen Umständen auch immer das zusammenhängt. Das hätte aber nicht mehr zu Ihrer in der Überschrift mitgeteilten Sichtweise gepasst: „Den heutigen Rentnern geht es blendend.“

Die Lebensbedingungen Ihrer Generation sind durch gesellschaftliche Altlasten versaut. […] Und dabei könnten Sie als Politologe natürlich die Ursachen der heutigen Altlasten und der gerade heute politisch geförderten zunehmenden sozialen Ungerechtigkeit auch analysieren. Redlich wäre, wenn Sie dabei nicht übersähen, dass es in dieser Altersgeneration nicht gerade das heutige Rentnerkollektiv ist, das sich in besonderem Maße bereichern oder an entscheidenden Stellen im eigenen Interesse Einfluss auf politische Entwicklungen nehmen konnte. „Gutverdienende“ und Beamte gehören zum Beispiel nicht zu diesem Rentnerkollektiv, sie sind bis heute nicht sozialversicherungspflichtig, eine Änderung ist ernsthaft nicht geplant. Es ist zwar dieses Rentnerkollektiv, das Chancen zur Kontrolle politischer Macht hätte wahrnehmen müssen, und alle diese Rentner sollten auch nicht pauschal als Mitläufer oder Opfer exculpiert werden. Nur, dieses Rentnerkollektiv jetzt als alleinigen Sündenbock anzubieten, ist ein durchsichtiges Manöver. Da fehlt doch noch was!

ELTJE GEORGS, Eutin

Ich gehöre der „Generation Tenriffa“ an. Das Gesülze von Herrn Schubert kann ich mir aber überhaupt nicht „überziehen“. Ich muss seit 35 Jahren ununterbrochen arbeiten, habe meine kleinen Brötchen über Jahrzehnte ziemlich mühselig verdient und brav meine nicht unerheblich hohen Rentenbeiträge unter Verzicht auf Reisen in die Karibik, Südostasien oder auch auf die Kanaren etc. eingezahlt. Ich habe ein Kind großgezogen in Zeiten, als es weder (bezahlten) Erziehungsurlaub über Jahre mit anschließendem Anspruch auf Arbeitsplatzerhalt noch sonst irgendwelche staatlichen Privilegien gab; das Kindergeld wurde erst eingeführt, das war damals ein Verdienst des Kämpfens der von Herrn Schubert so geschmähten „Generation Teneriffa“. […] Ich halte mich für eine absolut durchschnittliche Vertreterin der Generation ab 1940 und weiß von vielen, vielen Menschen in meiner Generation – besonders Frauen – die sich Teneriffa noch niemals haben leisten können und heute nach Ausscheiden aus einem langen Arbeitsleben vor der Altersarmut stehen, weil die Rente einfach nicht reicht.

[…] Wer hat Herrn Schubert seine Ausbildung bezahlt, damit er Politologe werden konnte, seine Eltern? Falls seine Eltern nicht für ihn aufkommen konnten, hat er sicher als Student gejobt und in Teilen Bafög bezogen. Wer, so frage ich, kommt denn für Bafög auf? Zum großen Teil sind das Menschen, die zur „Generation Teneriffa“ gehören und seit Jahren brav einen Teil ihrer Steuern eben auch für die Ausbildung der Nachfolgegeneration bezahlt haben und immer noch bezahlen. URSULA EICHLER, Karlsruhe