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Archiv-Artikel

Gewalt gegen Nigerias Generalstreik

Militär- und Polizeieinsätze fordern Tote und Verletzte. Gewerkschaften sammeln Verbündete gegen Regierung

BERLIN taz ■ Der seit Montag andauernde Generalstreik in Nigeria führt das Land in eine politische Krise. Soldaten eröffneten gestern wahllos das Feuer auf den belebten zentralen Markt der Hauptstadt Abuja, um eine Kundgebung des nigerianischen Gewerkschaftsdachverbandes NLC aufzulösen. Es gebe viele Verletzte, hieß es in ersten Meldungen. „Truppen haben den Markt umstellt, es ist wie ein Militärputsch“, zitierte die Agentur Reuters einen Augenzeugen.

Bereits am Dienstag waren bei Polizeieinsätzen gegen Streikende und Gewerkschaftsversammlungen acht Menschen getötet worden. Die NLC sprach von „massivem und wahllosem Einsatz von Tränengas und scharfer Munition in verschiedenen Landesteilen“. Die Polizei dementierte ihre eigenen Angaben, sie habe am Montag vier „Banditen“ in Abuja beim Vorgehen gegen Streikende erschossen.

Die Gewerkschaften wollen mit dem Generalstreik, der vom Obersten Gericht verboten worden ist, die Rücknahme einer Erhöhung der subventionierten Benzinpreise erzwingen. Die Regierung von Präsident Olusegun Obasanjo hatte den Benzinpreis am 20. Juni von 26 auf 40 Naira (0,27 Euro) pro Liter angehoben – eine Steigerung um 54 Prozent, die zu entsprechenden Preiserhöhungen im öffentlichen Nahverkehr führt und daher Händler und Angestellte in den Großstädten hart trifft.

Die Regierung begründet die Preiserhöhungen mit der Notwendigkeit, knappe Staatsgelder anders einzusetzen. Die Gewerkschaften verlangen vor einer Kürzung der Benzinpreissubventionen die Reparatur der seit Jahren verrotteten vier Ölraffinerien Nigerias. Ihrer Ansicht nach sollte Nigeria, größter Ölförderer Afrikas, sein Benzin selber herstellen können. Stattdessen wird es teuer importiert, woran mächtige Geschäftsleute viel Geld verdienen, und dann unter dem Einkaufspreis an die Verbraucher weitergegeben. Dieser Zirkel von Misswirtschaft, ein Erbe der Militärdiktatur, müsse gebrochen werden, sagt der NLC.

Die NLC-Analyse wird von Nigerias führenden Bürgerrechtlern geteilt, die den Streik daher unterstützen. Das tut auch die von konservativen Militärs gestützte größte Oppositionspartei ANPP (All Nigeria People’s Party), aber aus ganz anderen Gründen – sie erkennt die Präsidentschaftswahl vom April nicht an, als Obasanjo klar gewann, und will den Präsidenten nun auf anderem Wege stürzen. Sie hat die Bevölkerung zum Widerstand gegen die „volksfeindlichen Akte“ der Regierung aufgerufen.

Zusammen mit andauernden Unruhen in Nigerias Ölfördergebieten ist nun also eine breite Koalition der Unzufriedenen gegen Nigerias gewählte Regierung im Entstehen. Die Ölangestelltengewerkschaft Pengassan, deren Mitglieder die Ölförderung kontrollieren, will sich dem Generalstreik ab nächste Woche anschließen. DOMINIC JOHNSON