: Pisa-Studie ohne Konsequenzen
Lehrerverbände kritisieren Nordrhein-Westfalens SPD-Schulministerin Ute Schäfer aufs Schärfste: Deren Ministerium sei zu bürokratisch, deshalb reformunfähig – und demotiviere Schüler und Lehrer
AUS DÜSSELDORF ANDREAS WYPUTTA
Nordrhein-Westfalens Schulministerium scheitert nach Ansicht der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) an der Umsetzung der Kosequenzen aus der Pisa-Schulstudie. „Bei den Schülern ist von den Reformschritten, die auf Pisa gefolgt sind, nichts angekommen“, meint der GEW-Landesvorsitzende Andreas Meyer-Lauber.
Zwar teilt die Gewerkschaft die Richtungsentscheidung der rot-grünen Landesregierung, möglichst viele Schüler durch eine breite Förderung zu qualifizieren statt wie in CDU-geführten Bundesländern zu selektieren, doch bremse die Ministerialbürokratie SPD-Schulministerin Ute Schäfer aus. So würden Schulen nicht rechtzeitig informiert, notwendige Personalressourcen nicht zur Verfügung gestellt und die Umsetzung der Reformen durch Sperrung eines Drittels der Fortbildungsmittel gebremst. „Die Tradition, dass das Schulministerium glaubt, mit einem Erlass ein Problem aus der Welt zu schaffen, hält an“, bilanziert Meyer-Lauber bitter.
Besonders in der Kritik der Lehrergewerkschaft: Die neuen zentralen Prüfungen am Ende der Sekundarstufe I und das Zentralabitur. Die führten nicht zu umfassender Förderung und dem Erwerb neuer Kompetenzen, sondern zu reiner „Stoffpaukerei“. Unnötig auch die hohen Wiederholerquoten: Die seien gerade ein Ergebnis des Mangels an individueller Unterstützung, sorgten für Demütigung, „Null-Bock-Mentalität“ und seien Grund für das hohe Alter der Schüler beim Abitur. Finanziert werden könnten neue Lehrerstellen nach Meinung der GEW etwa durch eine Vermögenssteuer und die Auflösung des „toten Kapitals“ der Goldreserven.
Während Bernhard Recker, schulpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, die GEW unterstützt und ebenfalls mehr Geld für neue Lehrer fordert, hält Schäfers Sprecherin Stephanie Paeleke dagegen: Gerade mit den neu einzuführenden Lernstandserhebungen erhielten Eltern und Schüler individuelle Empfehlungen an die Hand. Im Übrigen treffe die Gewerkschaftskritik das Schulministerium nicht, so Paeleke zur taz: „Die meisten Neuerungen werden erst zu Beginn des kommenden Schuljahres eingeführt. Wie soll da bereits etwas bei den Schülern angekommen sein?“
Kritik kam auch von vier weiteren Lehrerverbänden wie dem konservativen Philologenverband: Die Gymnasial- und Realschullehrer wehren sich mit einem juristischen Gutachten gegen Planungen, den Kommunen eine schulformübergreifende Aufsicht zu übertragen. Unter einem „Reformstau“ litten die Philologen selbst, entgegnete die Fraktionsvorsitzende und Bildungsexpertin der Grünen, Sylvia Löhrmann: „Der Philologenverband verweigert sich einer überfälligen Reform der Schulaufsicht durch formaljuristische Kleinkrämerei, die nicht einmal formaljuristisch überzeugt.“