DEM KANZLER SIND DIE INTERESSEN VON SIEBEN MILLIONEN MIGRANTEN EGAL
: Schröder will den Macher mimen

Die Erwartungen an den Zuwanderungsgipfel im Kanzleramt sind hoch. Gefährlich hoch – jedenfalls für die Migranten, die in Deutschland leben und von einem möglichen Kompromiss zwischen Regierung und Opposition betroffen wären. Die Interessen und Gefühle dieser über sieben Millionen Menschen sind völlig nebensächlich, wenn sich Gerhard Schröder heute mit den Unionschefs Angela Merkel und Edmund Stoiber zum Abendessen trifft, um einen letzten Einigungsversuch zu starten.

Dem Kanzler geht es um einen persönlichen politischen Erfolg. Um einen Beweis, dass etwas vorangeht. Dass er doch noch handlungsfähig ist. Und natürlich erschiene es wie ein Meisterstück des Kanzlers, wenn es ihm gelänge, das jahrelange Hickhack, die ewigen Expertenrunden um die Zuwanderung auf einen Schlag durch sein Eingreifen zu beenden.

Fragt sich nur, um welchen Preis. Schon während der letzten Verhandlungsrunden haben SPD und Grüne zugelassen, dass die so genannten Sicherheitsfragen in den Mittelpunkt der Zuwanderungsdiskussion gerückt sind. Von den ursprünglichen Zielen, bessere Integration und modernere Arbeitsmigration, hat man sich längst verabschiedet. Otto Schily ist längst dabei, die Union rechts zu überholen, wie bei seinem Vorschlag einer „Sicherungshaft“ für Terrorverdächtige. Schon diese verfassungs- und integrationsfeindliche Rhetorik des Innenministers richtet Schaden an. Nun kommt es darauf an, welche konkreten Angebote an die Union sein Chef Schröder heute folgen lässt.

Hinter den so genannten Sicherheitsfragen, die der Kanzler zu beantworten angekündigt hat, verstecken sich Änderungswünsche, die nichts mit Schutz vor Terrorismus zu tun haben. So soll künftig jeder Migrant zwingend ausgewiesen werden, der zu Haftstrafen ab einem Jahr verurteilt wurde. Vor jeder Aufenthaltsgenehmigung soll der Verfassungsschutz den Antragsteller überprüfen. Geht Schröder darauf ein, fördert er nicht die Sicherheit, sondern Ressentiments. Eine Einigung um diesen Preis wäre kein Meisterstück, sondern eine Kapitulation, die das Klima für die Integrationspolitik weiter vergiftet. LUKAS WALLRAFF