: Mehr Schulden, viel mehr CDU-Stress
Das Schröder-Kabinett beschließt den Haushaltsentwurf für 2004 und macht dabei 30 Milliarden Euro neue Schulden. Die Union will den Weg mitgehen – außer ihrem Finanz- und Steuerexperten Friedrich Merz. Der knöpft sich die CDU-Spitze vor
BERLIN ap/rtr/taz ■ In der Union tobt weiterhin eine Art Palastrevolte: Die Vorsitzenden von CDU und CDU, Angela Merkel und Edmund Stoiber, wollen den Haushalt von Finanzminister Hans Eichel (SPD) mittragen – mitsamt neuer Schulden für gesenkte Steuern. Der Unions-Finanzexperte Friedrich Merz und Hessens CDU-Ministerpräsident Roland Koch aber schießen weiterhin quer.
Nach jetzigem Stand der Dinge könne er Eichels Plan nicht zustimmen, sagte ein Sprecher Roland Kochs. Und CDU-Finanzexperte Friedrich Merz stellte klar: „Den Weg gehe ich nicht mit.“
Der Weg, das war der gestrige Kabinettsbeschluss über den Haushalt 2004: Der Bund ist grundsätzlich bereit, seinen Anteil am Vorziehen der Steuerreformstufe 2005 auf 2004 von sieben Milliarden Euro komplett durch Kredite zu bezahlen. Bundesfinanzminister Hans Eichel erhöhte den Ansatz für die Neuverschuldung überraschend schon jetzt um jene sieben Milliarden Euro.
Da die Kreditaufnahme nun bei 30,8 Milliarden und damit sechs Milliarden Euro über den Investitionen liegt, ist der Haushalt formal verfassungswidrig. Um dennoch nicht gegen das Grundgesetz zu verstoßen, erklärte Eichel schon jetzt für 2004 die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Angesichts der Massenarbeitslosigkeit könne sich Deutschland nicht das dritte Jahr in Folge Stagnation leisten, sagte er. Die Regierung sorge mit dem Vorziehen der 2005er-Stufe für einen Konjunkturschub.
Unions-Haushaltsexperte Merz hält die Finanzierung über Neuverschuldung hingegen für „unseriös“: „Ganz oben auf der Prioritätenliste steht nicht unseriös finanzierte Steuersenkung, sondern […] stehen die Strukturreformen auf dem Arbeitsmarkt, stehen die Strukturreformen in den sozialen Sicherungssystemen“, sagte Merz.
In der Sitzung der CDU/CSU-Fraktion am Dienstag soll es zu heftiger Kritik an der Unionsführung gekommen sein. Abgeordnete hätten erklärt, die Union gebe in der Debatte ein „unmögliches Erscheinungsbild“ ab. Von einem „Kommunikationschaos“ sei die Rede gewesen, berichteten Teilnehmer.
Auch Merz kritisierte das Verhalten der Parteispitze in der Steuerdebatte. Die Bundesregierung habe bei ihrer Klausurtagung in Neuhardenberg schöne Gags vor historischer Kulisse präsentiert.
„Darauf muss man in Ruhe und gelassen reagieren, muss seine Linie beibehalten und darf nicht wie ein aufgeschreckter Hühnerhaufen reagieren“, sagte Merz.
Bundeskanzler Schröder will heute eine Regierungserklärung im Parlament zur rot-grünen Steuerpolitik abgeben. Er begrüßte ebenso wie Eichel die Ankündigung der Union, mit der Koalition rasch über die Finanzierung der vorgezogenen Steuererleichterungen zu verhandeln.
Der Finanzminister schlug vor, die Arbeitsgruppe der Ministerpräsidenten Roland Koch (Hessen/CDU) und Peer Steinbrück (NRW/SPD) zum offiziellen Gremium zu erklären, in dem Bund und Länder verbindliche Einschnitte bei Subventionen beschließen. Das wollte er am Nachmittag im Finanzplanungsrat machen, in dem Bund, Länder und Kommunen ihre Etats aufeinander abstimmen.
Er wolle damit ein „Pingpongspiel“ zwischen Regierung und Opposition verhindern, sagte Eichel. Die Union müsse entscheiden, ob sie über seine Ideen verhandeln oder selbst ein Konzept präsentieren wolle. „Ich bin offen für Vorschläge der Länder.“ Er halte eine Einigung im parlamentarischen Verfahren und nicht erst im Vermittlungsausschuss für möglich, sagte Eichel. Sein Angebot an die Länder werde er allerdings nicht aufstocken, verdeutlichte er.