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Archiv-Artikel

Energiewende nicht in Sicht

Experten glauben nicht, dass Strom aus erneuerbaren Quellen bis 2020 den Durchbruch schaffen wird. Wind zu unstet, Biomasse zu teuer. Gas und Kohle ersetzen Atomkraft

Hamburg taz ■ Erneuerbare Energien werden beim Strukturwandel der Stromversorgung eine untergeordnete Rolle spielen. Für eine Verringerung des Kohlendioxidausstoßes und als Ersatz für abgeschaltete Atomkraftwerke werden vorwiegend Kohle- und Gaskraftwerke errichtet werden. Das ist das Fazit einer Tagung der Journalistenvereinigung für technisch-wissenschaftliche Publizistik im Vorfeld der Bonner Konferenz über Erneuerbare Energien, bei der gestern Vertreter der TU-Harburg, HEW/Vattenfall und des Ökostrom-Anbieters Lichtblick sprachen.

Kontrovers diskutiert wurde die Subventionierung des Stroms aus regenerativen Energien. Während sich alle einig waren, dass die Subventionen degressiv gestaltet werden sollten, gab es geteilte Meinungen über die nötige Dauer der Subventionierung. HEW-Vorstandsmitglied Rainer Schubach verlangte, der Alternativ-Energie dürfe allenfalls eine Anschubfinanzierung gewährt werden. Schon heute sei Deutschland führend beim Einsatz erneuerbarer Energie. Dafür sei die Fördersumme aus verschiedenen Gesetzen von einer Milliarde Euro 1998 auf siebeneinhalb Milliarden im vergangenen Jahr gewachsen.

Dazu kommen weitere Kosten. Bei der Windenergie müssten das Vorhalten von 70 Prozent Reserveleistung und der Umbau des Stromnetzes einkalkuliert werden. Ein großer Teil dieser Kraftwerke steht jedoch bereits oder wird ohnehin neu gebaut, worauf Lichtblick-Geschäftsführer Heiko von Tschischwitz hinwies. „Ob sich die Windenergie ohne Subventionen halten kann, ist ungewiss“, orakelte TU-Professor Alfons Kather, der auch der Produktion von Strom aus anderen erneuerbaren Quellen in Deutschland geringe Chancen einräumte.

Die hier entwickelte Solarenergie sei vorrangig für den Export interessant. Geothermie sei für die Fernwärmeversorgung geeignet, nicht aber für Stromerzeugung. Biomasse sei heute noch zu teuer. Kather: „Stroh kostet bei gleichem Energiegehalt das Vierfache von Braunkohle.“ Der Maschinenbauer forderte die Landwirtschaft auf, Methoden zu entwickeln, wie Biomasse billig anzubauen wäre.

Allerdings warnte Schubach davor, die Kapazitäten der Biomasse zu überschätzen: Die Altholz-Verbrennungsanlage in der Borsigstraße, mit deren Bau HEW/Vattenfall vor einer Woche begonnen habe, benötige sämtliches Altholz, das in einem 100-Kilometer-Umkreis anfalle.

Trotz aller Probleme sei eine Energiewende nötig, betonte Tschischwitz. Trotz großer Verbesserungen erzeuge die deutsche Energiewirtschaft 40 Prozent aller CO2-Emissionen im Land, der Verkehr 25 Prozent. Entscheidend für eine Zunahme der erneuerbaren Energien seien die Weichenstellungen durch die Politik, da waren sich alle einig. Um Deutschland als Standort für energieintensive Produktion zu erhalten, müsste der größte Teil der Subventionslast jedoch den Privathaushalten aufgebürdet werden. Gernot Knödler