: Unter uns
Eiskalt: Eine Filminstallation erinnert in diversen Kinos und Theatern an die Folgen der deutschen Asylpolitik
Manchmal sind es nur ein paar dürre Zeitungsmeldungen, die von den Folgen berichten, wenn ein Antrag auf Asyl abgelehnt wurde. Meistens ist dann darin von Verzweiflungstaten wie Hungerstreik oder gar Selbstmord die Rede. Man liest die Meldung, ist für einen Moment entsetzt und vergisst sie dann wieder – weil die Fantasie nicht ausreicht, um sich wirklich vorzustellen, wie es sein muss, als Asylbewerber vergeblich in einem der reichsten Länder der Welt um Aufnahme zu bitten.
Seit 1993 dokumentiert deswegen die antirassistische Initiative Berlin diese Fälle. Und nicht nur das: In ihrer jährlich aktualisierten Broschüre „Deutsche Flüchtlingspolitik und ihre tödlichen Folgen“ kann man auch Fälle von körperlicher Gewalt und sexueller Misshandlung gegen Flüchtlinge nachlesen. Als Bärbel Schönafinger vom Internet-Magazin „kanalB.de“ im letzten Jahr eine solche Broschüre in die Hände fiel, hatte sie das Gefühl, dass dieses Material unbedingt an die Öffentlichkeit muss, um klar zu machen, welche Folgen Flüchtlingspolitik hat.
Herausgekommen ist ein Film von über 100 Minuten Länge, der 600 solcher Fälle so simpel und so eindringlich wie möglich dokumentiert. Wahllos ausgesuchte Passanten auf der Straße oder in Parks wurden gefragt, ob sie die in der Broschüre dargestellten Fälle vor laufender Kamera vorlesen könnten. Gefilmt wurde im Winter und die kahlen Bäume und die ungemütlichen Temperaturen, die man an den Gesichtern der Menschen ablesen kann, verstärken visuell den Eindruck von der Kälte in einer Gesellschaft, in der mitten unter uns Menschen vergeblich versuchen, ihrem Schicksal zu entkommen. Indem die Vorleser sich wenigstens für die Dauer des Interviews den Schicksalen der Asylbewerber annehmen, schafft es der Film so, die Geschichten der Flüchtlinge für einen kurzen Moment aus der Anonymität herauszuholen.
Zum Schluss flimmern noch die Worte der Kenianerin Alice Mutoni Kamau über den Bildschirm, die nach ihrer zehnmonatigen Haftzeit im Abschiebegefängnis Eisenhüttenstadt nach Kenia zurückkehren musste. „Ich verstehe jetzt, warum Menschen versuchen, sich in diesem Knast das Leben zu nehmen.“
SANDRA LOEHR
„Deutsche Flüchtlingspolitik und ihre tödlichen Folgen“. Bis 4. Juni in diversen Foyers. Volksbühne: 12–18 Uhr, Hau2: 12–19 Uhr, Arsenal: 17–22 Uhr, Nickelodeon: 18–24 Uhr, Eiszeit: 18–24 Uhr, FSK: 18–24 Uhr, Neues Off: 18–24 Uhr, Rollberg: 18–24 Uhr