: Der geborene Trainer
Schon als Spieler hatte Didier Deschamps ein gewichtiges Wort mitzureden. Nun setzt er seine Fähigkeiten als Trainer ein. Den AS Monaco hat das ins Champions-League-Finale geführt
VON RALF ITZEL
Im preisgekrönten Dokumentarfilm „Les yeux dans les bleus“ („Mit den Augen bei den Blauen“), der intime Einblicke in Frankreichs Weltmeistermannschaft von 1998 gewährt, ist Didier Deschamps bereits als künftiger Trainer zu erkennen. In der Halbzeit der WM-Partien ergreift der Kapitän das Wort und gibt Anweisungen, ohne dass sich Coach Aimé Jacquet auch nur im Geringsten daran stören würde. „Immer einer vor den Ball, wenn es Freistoß gegen uns gibt“, ruft Deschamps und fordert allgemein mehr Aggressivität: „Wir müssen beißen wie Wölfe.“ Stürmer Trezeguet soll auch mal selbst zum Abschluss kommen: „Pässe sind schön und gut, aber schieß mal!“ Selbst Zinedine Zidane kriegt ein paar Tipps ins Ohr geflüstert.
Sechs Jahre später hat sich nicht viel geändert, nur dass der kantige Baske die Spieler nicht mehr in kurzen Hosen anstachelt, sondern bekleidet mit einem edlen, schwarzen Ledermantel. „Man merkt, dass er erst vor kurzem den aktiven Fußball aufgegeben hat“, sagt Stürmer Fernando Morientes über seinen erst 35 Jahre alten Chef beim AS Monaco, „er ist so eng bei der Mannschaft, dass man oft das Gefühl hat, er sei gar nicht der Trainer. In meiner Zeit bei Real Madrid waren Mannschaft und Coach zwei Paar Stiefel. Hier ist Deschamps einer von uns.“
Die Champions League ist ihr gemeinsames Abenteuer, und dass es die Elf aus dem kleinen Fürstentum überraschend bis ins Finale geschafft hat, gelang nicht zuletzt, weil der Coach es verstand, den überwiegend jungen Spielern seine Charakterstärke, seinen Siegeswillen, seinen Eroberungsgeist einzupflanzen. Kein Team meisterte in dieser Europasaison so viele missliche Situationen wie das aus Monaco. Im Viertel- und Halbfinale schien gegen Real Madrid und Chelsea London des Öfteren alles verloren, doch mit enormem Willen und furiosem Fußball entschieden die Rot-Weißen jedes Mal das Armdrücken mit dem Schicksal für sich.
So haben sie die Herzen der Fans in ganz Europa erobert und tragen am heutigen Mittwochabend die Hoffnungen der Romantiker auf den Rasen der Arena AufSchalke von Gelsenkirchen, wo es gegen die kalte Siegesmaschine des FC Porto geht, programmiert von José Mourinho (41), ebenfalls ein Vertreter der aufstrebenden jungen Trainergilde, die dabei ist, die alte um Hitzfeld, Ferguson oder Lippi zu beerben. Während sich der Portugiese Mourinho seine Kenntnisse nach einer kurzen, bescheidenen Profikarriere früh von der Seitenlinie aus und dazu aus Büchern erwarb, hielt sich Deschamps an die Methode „learning by doing“. Als Fußballer hat der Franzose alles gewonnen: die Weltmeisterschaft, die Europameisterschaft, zweimal die Champions League. Nur vier Kicker konnten bisher den Triumph in Europas Oberliga als Trainer wiederholen: Miguel Muñoz (Real Madrid), Giovanni Trapattoni (AC Mailand/Juventus Turin), Johan Cruyff (Ajax Amsterdam/FC Barcelona) und Carlo Ancelotti (AC Mailand). Deschamps’ Titelsammlung verschafft ihm Autorität bei den Spielern. Wie könnte man so einem nicht glauben? Zudem spricht er ihre einfache Sprache und schützt die Gruppe vor äußeren Einflüssen: Kaum ein Kollege wacht so genau über das Verhältnis der Profis zu den Medien.
Der Mann aus Bayonne war immer einer, der die anderen zu führen wusste. Bei seinem ersten Klub, dem FC Nantes, beförderten sie ihn schon mit 19 zum Kapitän, und die Binde gab es dann auch bei Olympique Marseille, Juventus Turin und in der Landesauswahl. Dort sprach er sogar bei der Aufstellung ein gewichtiges Wort mit. Auf dem Rasen wiederum wachte er darüber, dass die Vorgaben umgesetzt wurden, Jacquet nannte den so einfach wie intelligent spielenden defensiven Mittelfeldakteur „meinen Assistenten auf dem Feld“. Abgesehen von seinen Fähigkeiten als Anführer und Motivierer ist Deschamps auch ein gewiefter Taktiker, der auf alle Situationen eine Antwort weiß. Die fünf Jahre in Italiens Serie A und seine Trainer bei Juventus haben ihn geprägt. Gut möglich, dass er nach drei Spielzeiten an Frankreichs Südküste demnächst selbst die Turiner betreut, als Nachfolger des zurückgetretenen Marcello Lippi.
Vorher aber soll der große Coup gelingen. Zuletzt stand er 2001 mit dem FC Valencia im Finale der Champions League, damals noch als Spieler, doch gegen Bayern München blieb er auf der Bank und litt leise. „Ein Finale ist nur schön, wenn du es gewinnst“, sagt Deschamps. „Wenn du es verliert und mit diesem Gefühl in die Ferien gehst, tut es wirklich sehr, sehr weh.“