: Nur das Visum zählt
Wer aus Liebe – und dann auch noch monokulturell – heiratet, verdient unsere ganze Verachtung: Es ist eine asoziale Verschwendung von EU-Pässen! Findet jedenfalls unser Autor. Schon viermal hat er eine Scheinehe angestrebt – leider erfolglos
VON HELMUT HÖGE
Ein „Helen“ ist das Maß an Schönheit, das es braucht, um 1.000 feindliche Schiffe loszuschicken. Die Maßeinheit geht auf die antike Helena zurück, die Tochter Agamemnons, die einst eine Schlepperbande unter der Führung von Paris von der Krim nach Troja brachte. Gegen die heutigen Schlepperbanden sind noch weit mehr Schiffe unterwegs – um alle Helenas dieser Welt daran zu hindern, in die EU zu gelangen. Eine, aus Odessa, schaffte es dennoch – bis nach Berlin, wo sie in einem Bordell arbeitete: „Ich habe mich ganz alleine, ohne Schlepper, bis hierher durchgeschlagen,“ erzählte sie mir, „aber einfacher ist es deswegen auch nicht, denn ich habe meine Tochter zurückgelassen, und der muss ich laufend was zum Anziehen schicken und Geld überweisen. So ein Paket kostet jedes Mal vierzig Euro und eine Überweisung fünfzig. Meine Mafia ist mein Kind!“
Die Antim-Mafia-Einheiten der EU patrouillieren nicht nur an allen Grenzen, damit keine weiteren Helenas durchkommen, sie sitzen darüber hinaus in allen Ämtern, wo sie darüber wachen, dass die wenigen dennoch durchgeschlüpften hier ihres Lebens nicht froh werden – und sich nicht etwa durch Heirat einbürgern oder ihre Familienangehörigen nachkommen lassen. Der Helena aus Odessa verweigerten sie hier das Zusammenleben mit ihrer Tochter Dafna, weil diese – so die Begründung – bald 16 werde und deswegen auch allein weiter in Odessa leben könne. Helena grämte sich über dieses Urteil derart, dass sie darüber das Trinken anfing, zur Alkoholikerin wurde und schließlich als „hilflose Person“ in einem „Frauenprojekt“ Aufnahme fand. Wie es der Zufall wollte, wurde und wird dieses „Projekt“, initiiert von arbeitslosen Sozialarbeiterinnen, von der EU finanziert, und zwar im Rahmen ihrer „Daphne-Programme“. Bei Daphne handelte es sich ursprünglich um eine junge Nymphe, die vom schönen, aber liebestollen Apoll verfolgt wurde und sich daraufhin in einen Lorbeerbaum verwandelte.
Heute sollen die EU-Programme, die unter ihrem Namen laufen, allen von Männern verfolgten und bedrängten ausländischen Frauen helfen. Konkret gibt es dazu beispielsweise beim Berliner Migrationszentrum EMZ die Projekte „HeiRat 1 und 2“, in denen Soziologen untersuchen, welche Schutzmaßnahmen es für Heiratsmigrantinnen aus Drittländern in der EU gibt: etwa die deutschen Beratungsstellen „Ban Ying“ – für Frauen aus Südostasien, „Papatya“ – für türkische Frauen, „Imbradiva“ – für brasilianische Frauen sowie „Bella Donna“ – für polnische und „Doña Carmen“ – für spanisch sprechende Frauen. Derartige Anlaufstellen gibt es in fast jedem EU-Land – und dementsprechend finanzieren die „Daphne-Programme“ der EU denn auch analoge EMZ-Projekte in Italien, Holland, Griechenland und so fort, damit die dort ebenfalls alle staatlichen sowie auch selbst organisierten „Schutzmaßnahmen für Heiratsmigrantinnen“ untersuchen.
Es werden also einerseits zig Milliarden Euro von der EU ausgegeben, um alle Heiratsmigrantinnen abzuwehren, indem man diese Frauen direkt mit Visumverweigerung, Visumentzug, Papierkrieg und Abschiebung traktiert oder indirekt, indem man ihre Schlepperbanden verfolgt und vernichtet. Zu diesem Zweck werden von der EU auch noch jede Menge nichtstaatliche Organisationen gefördert. Sie heißen z. B.: Agisra, Die Pfundzkerle, KOK, Konferenz europäischer Kirchen gegen Frauenhandel, Human Rights Watch gegen Frauenhandel, Foundation of Women’s Forum, Foundation against Trafficking in Women, GAATW, Terre des Femmes und Reftra. Letzteres ist ebenfalls ein Berliner EMZ-Projekt, das die EU-Anstrengungen zur Bekämpfung der Schlepperbanden untersucht.
Andererseits gibt die EU aber weitere Millionen Euro dafür aus, die Heiratsmigrantinnen, die es trotzdem bis hierher geschafft haben, aber durch die immer teurer werdenden Schlepperbanden und die ebenfalls immer teurer werdenden Scheinehemänner in Abhängigkeit und Not geraten sind, zu unterstützen – bis dahin, dass sie die Organisationen, die diesen Frauen helfen, erforschen und koordinieren lässt. Und um diesem postfaschistischen Schwachsinn die Krone aufzusetzen, nennt man das Ganze triumphierend „offene Gesellschaft“!
Ich, der ich gegen jeden grenzüberschreitenden Warenverkehr bin, jedoch für den freien, passlosen Reiseverkehr und Wohnortswechsel von Menschen, habe bereits viermal kostenlos eine Scheinheirat angestrebt, um den betreffenden Frauen hier einen Daueraufenthalt zu ermöglichen. Nie hat es geklappt, obwohl alle Freunde von mir schon längst, teilweise sogar mehrere glückliche Scheinehen eingegangen sind. Die Scheinheirat ist eine altehrwürdige kommunistische Pflicht! Ja, ich würde sogar so weit gehen: Jeder, der aus Liebe – und dann auch noch monokulturell – heiratet, ist ein angepasstes Arschloch und verdient unsere ganze Verachtung: Es ist eine asoziale Verschwendung von EU-Pässen!
Zum Glück passiert das, zumindest in Berlin, immer seltener. Als ich zuletzt Olga, die ukrainische Putzfrau eines befreundeten „Spiegel TV“-Journalisten, heiraten sollte und wollte, begab ich mich mit meiner Zukünftigen aufs Standesamt Friedrichshain/Kreuzberg: Dort warteten ausschließlich Mischpärchen darauf, abgefertigt zu werden – mit einer handgeschriebenen Nummer auf dem Schoß, die sie unentwegt anstarrten. Nr. 17, eine Iranerin, sagte zum Informationsfräulein, das erst mal alle „Kunden“ auf die einzelnen Standesbeamten verteilt: „Ich will heiraten, weiß aber noch nicht wen.“ Ehrlich währt hier jedoch nicht am längsten! Die Standesbeamte sind bei Verdacht einer Scheinehe zur Denunziation angehalten. Nr. 12, eine Weißrussin, die mit einem Weddinger angetanzt war, sagte: „Wir müssen uns beeilen, ich bin schon im 6. Monat schwanger.“ Ungerührt fragte das Informationsfräulein zurück: „Und haben Sie sich schon entschieden – mit der Musik und so?!“ An den Flurwänden hing Reklame – von Firmen, die Hochzeitsfotos, -ringe und -kleider verkaufen, im Wartesaal, der wie ein Wickelraum wirkte, lagen Hochzeitsauto-Kataloge. Eine philippinische Braut, Nr. 9, entschied sich für einen weißen Omega, aber ihr Neuköllner Alphamännchen winkte sofort ab: „Entweder einen Ford oder deine zwei Kinder herholen – beides ist nicht drin!“ Die Nummern 27 und 28 hielten zwei Jamaikaner, die ihre Blondinen in der Karibik-Disko am Zoo kennen gelernt hatten, wo sie auch ihre Hochzeit feiern wollten. Sie waren sich nur noch nicht einig, welchen DJ sie dafür anheuern sollten – über den Musikstreit überhörten sie fast den Aufruf ihres Standesbeamten. Auch die Nr. 29 war nicht ganz bei der Sache: Ein Sinologe, der sich natürlich – aus Berufsgründen – eine Chinesin geangelt hatte oder umgekehrt. Zwar war er einverstanden, ihre Großfamilie zur Hochzeit nach Berlin einzuladen, aber diese ganze peinlich-peinigende Prozedur mit x Dokumenten, ISO-Norm-Übersetzungen und -Beglaubigungen war ihm nun zu „prollig“. Seine Braut verstand ihn nicht und blätterte verzweifelt im Mandarin-deutschen Wörterbuch nach, fand das Schimpfwort aber nicht. Das ließ nun wieder ihn verzweifeln – nämlich an der Distinktionsfähigkeit seiner Zukünftigen. Ich machte mich ämternützlich und wies eine Bulgarin darauf hin, dass sie sich eine Nummer vom Haken nehmen müsse. Als die Nr. 28 aufgerufen wurde, meinte sie beleidigt: „Aber Sie haben mir doch eben gesagt, die Nr. 28 sei schon drin!“ Ich lächelte nur und dachte: „Gut, dass ich die nicht heiraten muss – was für eine Kampfhenne!“
Dann waren wir, die Nummer 31, Olga und ich, dran. Es ging alles sehr schnell: „Aha, Ukraine“, sagte der Beamte, holte eine Formular hervor und kreuzte darauf alle Dokumente an, die Olga beizubringen hatte. Damit schoben wir wieder ab. Anschließend trafen wir uns mit einer befreundeten Russin, die dolmetschen sollte: Da Olga geschieden war und zwei Kinder hatte, musste sie zusätzlich zur Familienstandsbescheinigung, zur Geburtsurkunde, zur polizeilichen Anmeldung, zur Aufenthaltsbescheinigung, zum Kindernachweis und zur beglaubigten Visumkopie auch noch ein gerichtliches Scheidungsurteil und dazu eine Bestätigung von der Miliz einholen. Das alles aus der Ukraine! Und dass sie hier schwarzarbeitete und nicht angemeldet war, verkomplizierte die Sache noch einmal. Mutlos ging sie nach Hause. Eine paar Wochen später trafen wir uns wieder, die Dolmetscherin hatte ich dazubestellt: „Es geht nicht“, sagte Olga, „ich krieg die Papiere nicht zusammen!“ „Dann heiratet doch in Dänemark“, riet uns die Dolmetscherin. Ich rief daraufhin beim Standesamt in Tonder an. Sie wollten zwar etwas weniger Papiere haben, aber die waren genauso schwierig zu beschaffen, außerdem war der „mehrtägige Aufenthalt“ dort teuer. Um es kurz zu machen: Irgendwann gaben wir auf! Ich bin immer noch ledig, und Olga lebt wieder in Kiew. Für die traurige Rückreise nahm sie, nebenbei bemerkt, für 500 Euro die Dienste einer Bande in Anspruch, die Touristen von West nach Ost schleppt, damit diese kein Wiedereinreiseverbot in den Pass gestempelt bekommen.
Ich war deprimiert: Andere hatten es doch auch geschafft. Ich kenne sogar eine ganze Frauenclique, die gleich sechs Nigerianer auf einen Schlag geheiratet hat. Sie treffen sich einmal im Monat, um im Rahmen einer kleinen Party gemeinsam die in der Zwischenzeit angefallene Papiermagie zu erledigen. Der Geschäftsführer vom Kaffee Burger heiratete eine Weißrussin – aber das zählt nicht, da er es völlig unpolitisch bloß aus Liebe tat. Mein Freund Murat aber: Er verheiratete seine bulgarische Freundin für 2.000 Euro mit einem deutschen Fixer. Und meine Freundin Noy, eine thailändische Ein-Frau-Schlepperbande – sie verheiratet laufend „ihre Mädchen“ mit irgendwelchen dubiosen Geschäftsmännern (solche Ehen sind übrigens die „glücklichsten“, wie gerade die Untersuchung einer thailändischen Soziologin aus Kassel ergab). Meine Freundin Lilli Brand hatte innerhalb von drei Tagen einen hirnkranken Nürnberger geheiratet. Und die ganzen Heiratsmigrantinnen aus Russland und Afrika, die bei „Jack’s“ in der Uhlandstraße oder im „Dorian Gray“ rumsitzen? Die wollen noch nicht einmal irgendeinen Deutschen heiraten, sondern nur einen mit viel Geld. Wie schaffen die das bloß? Ich komme mir langsam wie ein Versager vor: Seit neun Jahren bin ich fest entschlossen zu heiraten – und noch immer habe ich in meinem Badezimmer keine Zahnbürste einer Ausländerin liegen – für den Fall einer Kontrolle durch die Fremdenpolizei.