Pleitewelle am anderen Ufer

Kaufkraft, ade: In der schwul-lesbischen Community jagt eine Insolvenz die andere

KÖLN taz ■ Torsten Bless kennt sich aus im siebten Stock des Kölner Arbeitsamts. Hier, bei Herrn Müller vom Team 221, hat der frühere stellvertretende Chefredakteur der einst auflagenstärksten Homoblätter Queer und eurogay magazin binnen vier Monaten gleich zweimal einen Antrag auf Insolvenzgeld stellen dürfen – Anfang des Jahres wegen ausstehender Gehälter der Queer AG und kürzlich erneut, weil die Nachfolgefirma uptogay media GmbH ebenfalls die Segel strich. Das Queer-Nachfolgeblatt eurogay magazin hatte gerade mal vier Ausgaben durchgehalten.

Die Insolvenzwelle geht auch an der stets als kaufkräftig beschworenen Homoszene nicht vorbei. Neben den Kölner Magazinen meldeten auch der Versicherungsvermittler „Pride Assekuranz“, der NRW-Ableger des Lesben- und Schwulenverbands sowie Jürgen Bienieks Berliner Schwulenblatt gip in den letzten Monaten ebenfalls Konkurs an. Selbst die CSD-Veranstaltungen 2002 in Köln und Hamburg endeten mit dem Gang zum Insolvenzrichter. Jüngstes Opfer der Pleitewelle ist das Kölner Lesben- und Schwulenzentrum „Schulz“. Europas größtes Homozentrum macht nächste Woche zu – nach 18 Jahren.

Können Lesben und Schwule einfach nicht mit Geld umgehen? Nein, sagt Armin Lohrmann, Unternehmensberater von Antinous Consulting, denn die Konjunktur sei generell schlecht. Aber: „Ein Unternehmen, das sich auf den eher kleinen Homomarkt fokussiert hat, bekommt Schwankungen in den Konsumgewohnheiten eher zu spüren.“ Robert Kastl, Chef der Berliner Marketingagentur Publicom, hat allerdings auch „risikoreiche finanzielle Entscheidungen aus politischen Gründen“ ausgemacht: Im ehrenvollen Kampf um Gleichberechtigung werde das Controlling gern mal vernachlässigt. Schon laufen Wetten, welches Homounternehmen als nächstes dran glauben muss. Vor allem die Hamburger eurogay media AG, Mutter der insolventen uptogay media und Betreiberin des defizitären Onlineportals www.eurogay.de, wird kritisch beobachtet. „Die schwulen Medien haben seit ihrem Bestehen Probleme“, sagt Lohrmann. Und Kastl sieht bei den „teilweise äußerst unprofessionellen“ Homomedien derzeit eine „Marktbereinigung, die vorhersehbar war“.

Exchefredakteur Torsten Bless hat inzwischen einen neuen Job gefunden beim jungen Kölner Schwulenblatt up-town. Auch wenn dort die Anzeigenbuchungen noch mehr als dürftig sind – Bless hat keine Zukunftsangst: Im Falle eines Scheiterns weiß er ja, wo er den Insolvenzgeldantrag abgeben muss.

MICHA SCHULZE