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Archiv-Artikel

WELTWEIT WIRD GESUNDHEIT ZUR WARE – DAS BETRIFFT VOR ALLEM FRAUEN Modernisierungsprojekt aus dem Süden

Ausnahmsweise haben die armen Länder des Südens einen klaren Vorsprung gegenüber den Industriestaaten: in ihren Erfahrungen in Sachen Gesundheitsreform. Was als Strukturanpassungsprogramm in den Achtzigerjahren in Afrika und Lateinamerika begann, kommt jetzt als Modernisierungsprojekt in Europas Arztpraxen an. Nach dem Dominoprinzip fällt ein Land nach dem anderen: das ist Globalisierung der neoliberalen Gesundheitsreform.

Überall sollen die Reformen die Staatskassen retten, die Versorgung kostengünstiger und effizienter machen. Die Mittel dafür ähneln sich: Kostenbeteiligung der PatientInnen, Privatisierung medizinischer Leistungen, Einführung privater Versicherungssysteme. Vom Süden lernen heißt, dass die Reformen von Argentinien bis Simbabwe nicht die erhofften Effizienzeffekte brachten, sondern Zugangs- und Qualitätsverschlechterungen vor allem für arme und marginalisierte Bevölkerungsgruppen. Korruptionsresistenter als der öffentliche Sektor ist die Privatwirtschaft auch nicht.

Unter neoliberalen Politiken des Sozialabbaus leiden Frauen am meisten, weil sie die Mehrzahl der weltweit Armen sind, weil sie die Kinder gebären und das Gros der sozialen Reproduktion schultern. Dafür strafen private Versicherer sie mit höheren Beitragszahlungen – 50 Prozent mehr als Männer in Chile. Für viele Frauen stellt sich dieses Problem jedoch nicht: Sie können sich private Versicherung schlicht nicht leisten.

Gesundheit wird auf einen Nachfragefaktor auf dem Markt reduziert. Von einem sozialen Grundrecht auf Gesundheit spricht kaum noch jemand. Die Verwandlung eines Rechts in eine Ware ist Teil der Reformen. Wegsaniert wird auch die Kritik an den Gesundheitsreformen: Frauengesundheitsorganisationen werden die Mittel gekürzt, die Netzwerke, die den heutigen internationalen Aktionstag organisieren, sind existenziell gefährdet. So könnte der diesjährige 17. Frauengesundheitstag der letzte sein. CHRISTA WICHTERICH

Die Autorin ist Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats von Attac und im Vorstand des NGO-Frauenforums in Bonn