„Das wird teuer und unpopulär“

Die Ausgestaltung des Emissionshandels in Deutschland hilft dem Klimaziel nicht weiter, meint Energiespezialist Felix Matthes: Die Unternehmen sind fein raus, die Hauptlast der CO2-Reduzierung liegt nun auf den privaten Haushalten und dem Verkehr

INTERVIEW MATTHIAS URBACH

taz: Herr Matthes, heute verabschiedet der Bundestag endgültig die Gestaltung des Emissionshandels. Sie haben das Umweltministerium dabei eineinhalb Jahre wissenschaftlich beraten. Wird der Emissionshandel das Klima schonen?

Felix Matthes: Kurzfristig kaum. Das Problem dabei ist aber nicht der Handel selbst, sondern das festgelegte Minderungsziel für die Industrie. Das ist sehr bescheiden. Aber wir haben die Architektur eines neuen Instruments. Das ist langfristig nicht zu unterschätzen.

Werden wir damit unser Kioto-Ziel noch erreichen?

Man hat der Industrie nun reichlich Emissionsrechte gegeben. Wenn sie das Klima mehr schont, als sie muss, also Emissionsrechte ungenutzt lassen kann, verkauft sie die per Emissionshandel ans europäische Ausland. Das hilft uns fürs deutsche Klimaziel nicht weiter.

Wer fängt das auf?

Im Verkehr und bei den Haushalten müssen wir nun 20 Millionen Tonnen Kohlendioxid mehr einsparen. Sonst verfehlen wir das Kioto-Ziel.

Worauf läuft das hinaus?

Im Haushaltsbereich wird wohl ein weiteres großes Wärmedämmungsprogramm notwendig. Das wird teuer. Und im Verkehr gibt es das ganze Portfolio von Maut über Tempolimit bis Ökosteuer – diese Maßnahmen sind unpopulär. Das sind aber die einzigen Maßnahmen, mit denen man realistischerweise so viel Kohlendioxid einsparen kann.

Welchen Beitrag bringen die erneuerbaren Energien?

Deren Minderungsleistung wird direkt vom Emissionshandels-System aufgesogen, weil die Kraftwerke sich die Minderung gutschreiben können.

Das heißt: Der Stromkunde bezahlt über den Strompreis neue Windräder, und der Stromkonzern kann das bei sich als Emissionsminderung verbuchen.

Genau. Der Kraftwerksbetreiber kann sich das anrechnen lassen. Das wäre kein Problem, wenn die erneuerbaren Energien vernünftig im Minderungsziel eingerechnet worden wären. Wurden sie aber nicht.

Die Stromkonzerne sind Gewinner des Emissionshandels?

Eindeutig. Minderungsziele von drei Millionen Tonnen bis 2007 und zehn Millionen Tonnen bis 2012 sind für diese Branche ohnehin marginale Größen.

Wurde die ganze Wirtschaft so gut bedient?

Nein, wer keine Lobby hatte, wurde auch nicht bedient. Das sieht man am deutlichsten an der Regel für „Early Action“, also für Kraftwerke und Fabriken, die schon in den Neunzigern ihre Emissionen gesenkt haben. Diese werden unterschiedslos behandelt – ganz egal, ob sie sie um 8 Prozent vermindert haben oder um 38 Prozent. Erst ab 40 Prozent Minderung wird man etwas besser behandelt – eine kleine Korrektur der Fraktionen am Regierungsentwurf.

Wie steht Deutschland im Vergleich zu den anderen EU-Staaten da?

Da muss man differenzieren: Deutschland und Großbritannien sind immerhin bisher die einzigen beiden Länder, die sich überhaupt eine Minderung auferlegen. Negativ aber fällt auf, dass kein anderes Land so viele Sonderregelungen geschaffen hat wie Deutschland.

Woran liegt das?

Der Einfluss der Unternehmen war enorm groß. Gerade in der letzten Phase kann man hinter nahezu jeden Paragrafen den Namen der Firma schreiben, die den motiviert hat.

Das klingt nicht sehr gerecht.

Gerecht wäre normalerweise: Jeder leistet so viel, wie er kann. Nun kriegt aber der, der in der Vergangenheit viel Kohlendioxid in die Luft geblasen hat, viele Emissionsrechte. Die Konstante ist Besitzstandswahrung.

Warum hat die Politik so entschieden?

Die Politik wollte genau vorhersehen, wie der Handel auf jeden Teilnehmer wirkt. Es ist eine deutsche Krankheit, das nicht dem Markt überlassen zu können. So wird der Klimaschutz unnötig teurer.