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Archiv-Artikel

„Mea Culpa“ der Generäle in Chile

Acht Ex-Militärs entschuldigen sich für ihr Verhalten während der Pinochet-Diktatur – und schweigen weiter

BUENOS AIRES taz ■ Als Rentner zeigen sie plötzlich Reue. Nach dem Lucía Hiriart de Pinochet, eiserne Ehefrau des Exdiktators Augusto Pinochet, vor zwei Wochen ihre Ansicht kundtat, sie hoffe, dass es in Chile nie wieder eine Militärdiktatur geben werde, haben jetzt gleich acht ehemalige Diktaturgeneräle in Santiago ihr „Mea Culpa“ verlesen.

„Wir geben zu – soweit es uns betrifft – die Existenz von Irrtümern und Problemen im Bereich der Menschenrechte, die sich nicht wiederholen dürfen“, trugen die Generäle vor. Es war das erste Mal, dass Diktaturmilitärs von „Irrtümern“ sprachen und Menschenrechtsverletzungen während des Militärregimes eingestanden – wenn auch verwässert.

Am 11. September 1973 putschten die rechten Generäle, angeführt von Augusto Pinochet, den sozialistischen Präsidenten Salvador Allende aus dem Amt. Allende überlebte den Umsturz nicht. Erst im Jahre 1990 musste Pinochet nach freien Wahlen abdanken. Während den 17 Jahren Militärdiktatur ermordeten Pinochet und seine Handlanger rund 3.000 Menschen, unzählige mussten ins Exil fliehen.

Eine Epidode, die sich „nie wieder“ wiederholen dürfe, meinte auch Heereschef Juan Emilio Cheyre. „Nie wieder Verbrechen, Gewalt und Terrorismus“, sagte Cheyre vor knapp einem Monat. Als erster ranghoher chilenischer Militär brach er den unausgesprochenen Treueschwur zu Pinochet und gestand ein, dass während der Militärherrschaft Menschenrechtsverletzungen begangen wurden. Bislang hatten die Militärs in Chile sich gescheut, das Wort „Menschenrechte“ überhaupt in den Mund zu nehmen. Entsprechend fiel ihr Beitrag zur Aufklärung der Diktaturverbrechen aus: Sie sagten nichts.

Aber auch Cheyre und die acht reuigen Rentnergeneräle scheinen wenig Interesse an einer Aufarbeitung der Geschichte zu haben. So schlägt Cheyre vor, am 11. September, dem 30. Jahrestag des Putsches, einen Strich unter die Geschichte zu ziehen und alle Verfahren gegen Diktatur-Militärs einzustellen.

Die halbherzigen Reueschwürde der Militärs kommen, wenige Tage ehe Präsident Ricardo Lagos sich zum Umgang mit der Vergangenheit äußern will. Der sozialistische Präsident will die Entschädigung von Angehörigen von Diktaturopfern besser regeln und offenbar mehr Richter für die juristische Aufarbeitung der Vergangenheit einsetzen. Trotzdem zeigte sich Lagos zufrieden mit dem „Mea Culpa“ der pensionierten Generäle. „Das ist ein Fortschritt bei der Annäherung zwischen den Chilenen“, sagte er.

Weniger Beifall für die inszenierte Reue kam von den Angehörigen der Diktaturopfer. Das Eingeständnis der Schuld habe „keinen Sinn“, wenn dies nicht „von konkreten Schritten unterstützt wird“, sagte Mireya García, Vorsitzende einer Organisation von Angehörigen von Diktaturopfern. Wenn es die Militärs ernst meinten mit ihrer Reue, sollen sie „Informationen preisgeben, die darüber Auskunft geben, wo die Verschwundenen sind“, so García. Über 900 Schicksale von entführten Oppositionellen sind noch immer nicht aufgeklärt.

In der Tat: Bislang schweigen die Generäle geflissentlich, wenn sie gefragt wurden, wo sie ihre Opfer verscharrt haben und wen sie wie und wann zu Tode gefoltert haben. Kein Wunder. Gegen die acht reuigen Generäle laufen Verfahren wegen Menschenrechtsverletzungen während der Diktatur. INGO MALCHER