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Archiv-Artikel

Mit „biopositiver Wirkung“ gegen Rheumaschmerzen

Im Schwarzwald soll ein neues Heilbad mit radioaktivem Wasser entstehen. Die Methode ist aber umstritten. Kritiker warnen vor einem teuren Flop

BERLIN taz ■ Das Nass sprudelt bereits aus 240 Meter Tiefe, und die Pläne für das Kurhaus liegen fertig in der Schublade. Nur die Baugenehmigung und die Anerkennung als Heilquelle stehen noch aus: Mit radioaktivem Wasser aus einem ehemaligen Uranbergwerk will der Schwarzwald-Kurort St. Blasien am Südhang des Feldbergs seine Übernachtungszahlen steigern. Die Strahlung des im Wasser gelösten radioaktiven Edelgases Radon, eines Zerfallsprodukts des Urans, soll eine „biopositive Wirkung“ entfalten und insbesondere Rheumaschmerzen lindern.

Die Idee, Menzenschwand, einen Ortsteil von St. Blasien, zum Heilbad auszubauen, hatte Ende der 60er-Jahre der Offenburger Verleger und Menzenschwander Jagdpächter Franz Burda. Das Radonbad, so prophezeite er, werde neue Gäste locken und den verhassten Uranbergbau beenden helfen.

1960 hatte das niedersächsische Bergbauunternehmen Gewerkschaft Brunhilde kurz hinter dem Dorfausgang ein Bergwerk angelegt – gegen den erbitterten Widerstand von Gemeinde und Naturschützern. Drei Jahre später stoppte eine einstweilige Verfügung die Uransuche. Das Heilbad, per se unvereinbar mit einem Gesteinsabbau, sollte diesen endgültig unmöglich machen. Doch Burdas Rechnung ging nicht auf: Das 56-Millionen-Euro-Projekt platzte, der Widerstand der Gemeinde gegen den Uranbergbau knickte ein. Bis 1991 holte Brunhilde rund 100.000 Tonnen Uranerz aus dem Berg.

Jetzt sehtt das Radonbad erneut auf der Tagesordnung. Statt gigantischer Bettenburgen soll diesmal lediglich ein kleines Kurhaus mit Badewannen für die Radontherapie entstehen. Für den örtlichen Fremdenverkehr bedeute das Radonbad eine „enorme Bereicherung“, sagen seine Fans. Das baden-württembergische Wirtschaftsministerium stufte das Projekt als „ausgesprochen innovativ“ ein. Über 90 Prozent der Investitionskosten von 5,4 Millionen Euro trägt die öffentliche Hand.

Die medizinische Wirksamkeit der Radonkuren indes ist umstritten. Während die Befürworter von einer „nebenwirkungsfreien“ Therapie sprechen und auf gute „Erfahrungswerte“ verweisen, warnen andere Mediziner vor einem erhöhten Lungenkrebsrisiko. Dass lindernde Wirkungen vom Radon herrührten, sei zudem nicht bewiesen. Das Menzenschwander Projekt, stänkert der Mediziner Gerhard Geis-Tyroller aus dem benachbarten Dachsberg, „verschwendet einen Haufen Steuergelder für eine fragwürdige Heilmethode“. Auch die Krankenkassen sind reserviert: Radon ist kein verordnungsfähiges Heilmittel.

Die PatientInnen hält das nicht ab. Im Sibyllenbad in Neualbenreuth in der Oberpfalz etwa stiegen sie im letzten Jahr 15.000 -mal in die Wannen mit dem radioaktiven Wasser. Der Radon-Inhalations-Stollen in Bad Kreuznach verzeichnete 5.000 Besuche. Bundesweit bieten derzeit sieben Kurorte Radontherapien an. 2,3 Millionen Rheumakranke allein in Deutschland, sagt der Sprecher des Verbands der europäischen Radon-Kurorte, Steffen Matthias, seien „ein riesiges Potenzial“.

Privatinvestoren halten sich trotzdem zurück. Alle Radonkureinrichtungen in der Bundesrepublik wirtschaften ganz oder mehrheitlich mit öffentlichen Geldern, Gewinne sind eher die Ausnahme. Kritiker wie Geis-Tyroller erwarten deswegen in Menzenschwand den nächsten Millionenflop. ARMIN SIMON