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Archiv-Artikel

Kalif lief, Polizei schlief

Festnahme von Metin Kaplan, dem „Kalifen von Köln“, scheitert. Der Islamistenanführer ist untergetaucht. Jetzt werden Verantwortliche gesucht. Frankreichs Kalifatschef abgeschoben

KÖLN/PARIS taz ■ Nach dem Verschwinden des Islamisten Metin Kaplan wächst der Druck auf Nordrhein-Westfalens Innenminister Fritz Behrens (SPD). CDU-Landtagsfraktionschef Jürgen Rüttgers sprach von einer „Blamage“. Es könne nicht sein, dass ein Straftäter und Hassprediger nicht so überwacht werde, dass er jederzeit festgenommen werden kann. Die Verantwortlichkeit für die „Verhaftungs- und Überwachungspanne“ müsse geklärt werden. Sein FDP-Pendant Ingo Wolf bezeichnete Behrens als ein „Sicherheitsrisiko im Kabinett“. Der FDP-Bundesvorsitzende Guido Westerwelle forderte den Rücktritt des „Nachtwächter-Innenministers“. Auch der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz sprach von „einem peinlichen Vorfall“.

Inzwischen wird auf Behrens' Veranlassung europaweit nach Kaplan gefahndet. „Es bringt nichts, als Erstes die Schuldfrage zu stellen. Davon kriegen wir Kaplan nicht“, sagte der Minister. Kaplan ist seit Mittwoch unauffindbar. An diesem Tag hatte das Oberverwaltungsgericht Münster geurteilt, dass keine schwerwiegenden Hindernisse für seine Abschiebung in der Türkei vorlägen. Dort droht dem „Kalifen von Köln“ ein Prozess wegen Hochverrats. Noch am Abend hatte die Stadt Köln einen Haftbefehl gegen den 51-Jährigen erwirkt. Doch der konnte nicht vollstreckt werden: Obwohl sie nach eigenen Angaben den ganzen Tag das Hochhaus im Stadtteil Chorweiler, in dem Kaplan wohnt, überwacht hatte, traf die Polizei ihn nicht zu Hause an.

Mit dem Fall befasste sich auch das Kölner Verwaltungsgericht. Am gestrigen Abend entschied es, dass Kaplan in den kommenden zwei Monaten nicht abgeschoben werden darf. Einen entsprechenden Eilantrag hatten Kaplans Anwälte am Mittwoch gestellt.

In Deutschland weitgehend unbemerkt hat die Regierung Frankreichs den mutmaßlichen Kopf des französischen Arms des „Kalifatsstaats“ bereits Ende vergangener Woche in die Türkei abgeschoben. Der Abschiebebeschluss gegen Mihdat Güler, der in seinem Gebetssaal im 11. Pariser Arrondissement Gewalt und Terrorismus gepredigt haben soll, stammte bereits vom 30. März. Aber auch Güler tauchte zunächst ab und konnte erst am 1. Mai festgenommen werden. Sein Asylantrag wurde im Schnellverfahren abgelehnt.

P. BEUCKER/D. HAHN

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