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Archiv-Artikel

anmerkungen zu metin kaplan Medienhype um Deutschlands bekanntesten „Hassprediger“

Man kommt sich vor wie in einer billigen Casting-Show. „Deutschland sucht den Superkaplan“ könnte sie heißen, und alle machen mit. Geheimdienste tun ganz geheim, und alle anderen schieben die Verantwortung weit von sich weg.

Derweil bleibt Metin Kaplan verschwunden. Der selbst ernannte Kalif von Köln mutiert zum Medienstar, und als politischer Journalist in Köln bin ich ein Rädchen in diesem Getriebe. Als am Mittwoch über die mögliche Abschiebung Kaplans vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster entschieden werden soll, wartet alle Welt gespannt. Angespornt durch große Meldungen der Nachrichtenagenturen suchen Journalisten nach der noch größeren Story rund um den „Hass-Prediger“. Und ich suche mit.

So stehe ich vor einem unwirtlichen Hochhaus im sonnigen Chorweiler und gucke durch die Gegend. Obwohl sich später heraus stellt, dass die Polizei das Haus zu diesem Zeitpunkt observierte, gab es aktuell nichts zu sehen und auch nichts zu berichten. Nicht alle Kollegen bei den verschiedenen Medien sehen das auch so. So mancher scheint die Vorstellung zu hegen, die Polizei würde ihre mobile Wache vom Roncalliplatz hierher karren und vor dem Hochhaus aufstellen – bis an die Zähne bewaffnete Spezialkommandos könnten Deutschlands schlimmsten Terrorverdächtigen überwältigen und medienwirksam aus dem Haus tragen. Vielleicht könnte die Pressestelle während der Wartezeit ja noch Kaffee für Journalisten ausschenken? Nein, die Meute kommt erst später. Und dann bleibt keine Zeit für Warmgetränke.

Massenauflauf dann bei der missglückten Festnahme und bei der Pressekonferenz der Kölner Polizei. Politiker melden sich aus allen Winkeln der Republik zu Wort. Obwohl kaum einer so richtig verstanden hat, was hinter dem juristischen Streit um Kaplan steckt, ruft so mancher lauthals nach Rücktrittsforderungen. Das macht Schlagzeilen, bringt zusätzliche Umdrehungen ins emsige Mediengetriebe und lässt den Politikernamen für wenige Stunden prominent erscheinen. Jeder rechtliche Schachzug führt zu Interpretationen, Fragen und Verwirrung – vor allem bei der Bevölkerung, die die zum Teil widersprüchlichen Nachrichten wahrscheinlich noch schlechter verdaut als die beteiligten Juristen.

Dann kommt die nachrichtenarme Nachtzeit. „Locken auf der Glatze drehen“ nennt man das, was jetzt an Spekulationen und Nachdenklichkeiten ins Kraut schießt. In diese Tradition passt eine Meldung des Wettanbieters „MyBet.com“. Dort haben sich ernsthafte bundesdeutsche Zeitgenossen offenbar derart vom Medientrubel um Kaplan anstecken lassen, dass sie Wetten auf den Ausgang dieses Kriminalspiels abschlossen. „Rechtstaat gegen Kaplan 0:1“, lautete die Schlagzeile einer entsprechenden Pressemitteilung der Internet-Buchmacher. Frank Überall

taz-Autor Frank Überall lebt als freier Journalist in Köln und arbeitet regelmäßig als Reporter vor allem für die Hörfunkwellen von WDR und ARD. Er berichtete die letzten drei Tage fast rund um die Uhr über den „Fall Kaplan“.