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Archiv-Artikel

„Du bist aber leider bei O2“

Handytarife für Jugendliche sind eine sinnvolle Idee. Mehr auch nicht. Um sie zum Schutz der Kinder einzuführen, müssten Mobilfunkanbieter erst mal auf ihr trickreiches Vertragsgeschäft verzichten

VON ANJA MAIER

Die Wahlwiederholung am Festnetztelefon drücken und auf dem Display eine Mobilnummer vorfinden: Eltern kennen das. Sie kennen auch ihre Telefonrechnung: Der Betrag steigt stetig. Nicht weil neuerdings ihr Steuerberater von den Seychellen aus operiert, sondern weil das im Haushalt lebende Kind kommunikativ ist und zum Sunshine-Tarif (0,69 Euro pro Minute) mit Nora, die um die Ecke wohnt, zwanzig Minuten die neue Beatstiks-Platte diskutieren musste.

Man liebt sein Kind. Und weil man seinem Glück nicht im Wege stehen mag, finanziert man ihm ein Handy und sperrt den Festnetzanschluss für Mobilnummern. Eine scheinbar einfache Lösung. Auch Verbraucherschutzministerin Renate Künast (Grüne) ist das korrekte Kommunikationsverhalten künftiger Wähler wichtig. Gerade forderte sie von den Mobilfunkanbietern spezielle „Handy für Kids“-Verträge. Die Anbieter, „die gut am SMS-Boom verdienen“, könnten damit ihren Teil zum Schutz der Jugendlichen beitragen.

Bis hierhin – und darüber hinaus – haben die Marktstrategen von Vodafone, T-Mobile oder O2 längst gedacht. Sie tun was für die Kids: verkaufen ihnen überteuerte Prepaid-Karten oder locken mit so genannten Partnerverträgen (Vodafone). Die beinhalten, dass eine geschäftsfähige Person – sagen wir, die Mutter – einen Vertrag für zwei Anschlüsse abschließt. Einer davon wird normal mit Grundpreis und etwas niedrigeren Gesprächsgebühren abgerechnet.

Der andere – der Partnervertrag – hat derart atemberaubende Konditionen, dass er unbesorgt für die sagen wir 15-jährige Tochter abgeschlossen werden kann: grundgebührfrei plus 5 Euro Gesprächsguthaben. Das ist nicht nur ein klasse Angebot, denkt sich die Mutter und unterschreibt im Vodafone-Shop die Einzugsermächtigung, das hat auch noch erzieherischen Wert: Bei 18 Euro Taschengeld und 5 Euro Gesprächsguthaben kann die Tochter ein paar Euro vertelefonieren und lernt auch noch haushalten.

Auch hier gilt: Eltern kennen ihre Rechnung. Am Monatsende zahlt die Junior-Kommunikationspartnerin stolze 9 Euro. Und das, obwohl sie brav für fünf Euro SMS versendet hat. Wie das? „Das Guthaben gilt nur für Gespräche“, wird die Beschwerde führende Mutter beschieden.

Nächster Monat. Das Kind verplappert brav 5 Euro, um mit einem In-love-Kandidaten anzubändeln. Am Ende sitzt ein pickliger 17-Jähriger am Familienabendbrottisch, und der Partnervertrag wird mit 12 Euro belastet. „Das Guthaben gilt nur für Vodafone-zu-Vodafone-Gespräche sowie für Verbindungen ins nationale Festnetz“, lautet diesmal die Antwort der Serviceperson.

In Summe heißt das für die jugendliche Kommunikantin, dass sie ihr soziales Umfeld künftig strikt auf Vodafone-Kundschaft beschränken sollte. „Philipp, ich find dich ja süß“, könnte eine aufkeimende Liebe scheitern, „aber aus uns kann nichts werden: du bist bei O2.“

Sich dem Trend zum mobilen Telefonieren zu verweigern scheint sinnlos. So hat etwa das Statistische Landesamt Mecklenburg-Vorpommern errechnet, dass sich dort seit 1998 die Handyausstattung versechsfacht hat. 91,3 Prozent, neun von zehn Familien mit Kindern, nutzen das Handy zur täglichen Kommunikation. Dabei ist der soziale Status unerheblich: In drei von vier Arbeitslosenhaushalten wird im Nordosten mobil telefoniert.

Was bleibt, ist die Prepaid-Card: Das Handy mit 15 Euro aufladen und abtelefonieren, selbstredend zu saftigen Tarifen. Genauso sehen das auch die Mobilfunker. Umgehend nach Künasts Vorstoß ließen sie ihr ausrichten, mit den Prepaid-Karten seien Jugendliche bestens vor sich selbst geschützt, an „Handy für Kids“-Verträge sei weiterhin nicht zu denken.

Recht haben sie, denn eine schöne Umsatzsteigerung ist allemal drin, wie die aktuellen Zahlen von Vodafone nahe legen. Im laufenden Geschäftsjahr erzielte das Weltunternehmen einen Gewinn von 10,75 Milliarden Pfund (16,1 Milliarden Euro). Zum Ende des ersten Quartals 2004 konnte die deutsche Vodafone ihre Kundenzahl um 2,1 Millionen auf 25 Millionen erweitern, durchschnittlich vertelefoniert jeder Einzelne davon 25,80 Euro. Da wäre es doch einfach blöd, diesen Geldstrom abreißen zu lassen. Solange Muttern zahlt.