Krosse Knödel im Kreuzgang

Ein bisschen ora und viel labora: Im ehemaligen Katharinen-Kloster mitten in Bremens City residiert jetzt der „Andechser“: In monastischem Ambiente werden Doppelbock und Deftiges kredenzt – heute kommt der Abt aus Bayern, um alles zu segnen

taz ■ Das „soft opening“ läuft bereits: Obwohl er noch gar nicht beworben wurde, und obwohl man erst vor ein paar Tagen mit dem Probebetrieb begonnen hat, brummt der Laden bereits: In der Katharinenpassage, mitten in der Bremer City, findet sich jetzt eine Zweigstelle des bayerischen Klosters Andechs. Dort, im monastischen Ambiente des Katharinenklosters, in dem früher Dominikanermönche residierten, wird jetzt dunkles Bock-Bier getrunken und Brotzeit gemacht. „Der Andechser“ heißt das Restaurant, das von den geschäftstüchtigen Benediktinern aus Andechs am Ammersee betrieben wird. Knödel im Kreuzgang und Radieschen im Refektorium: Stillos ist das. Und sehr gemütlich.

Bremen, so scheint es, wird derzeit von auswärtigem Bier und fremden Speisen überschwemmt. Erst vor ein paar Monaten öffnete in der Böttcherstraße die „Ständige Vertretung“ – mit Kölsch und rheinischen Spezialitäten. Nun ziehen die Bajuwaren nach. „Franchisegeber“ für die „einzigartige Verbindung historischer Bausubstanz mit der Dynamik einer zeitgemäßen Einkaufspassage“, geben die sehr auf‘s neudeutsche Unternehmensvokabular bedachten Mönche bekannt, ist die „Kloster Andechs Gastronomie AG“. Die tüchtigen Mönche agieren ganz nach der Ordensregel des Heiligen Benedikt – nur, dass das Beten (ora) gegenüber dem Geschäft (labora) mitunter vielleicht etwas kurz kommt. Heute, zur offiziellen Eröffnung, kommt eigens der hochwürdige Herr Vater Abt aus Bayern angereist, um einen Gottesdienst zu zelebrieren, die Räumlichkeiten des „Andechser“ zu segnen und – ohne das machen‘s waschechte Bayern nun wirklich nicht – einen Herrgottswinkel mit Kruzifix zu „installieren“. Bürgermeister Henning Scherf werde eine Eröffnungsansprache halten, sagt Achim Grunert, und auch die meisten Senatoren hätten ihr Kommen bereits zugesagt.

Grunert ist der „Franchise-Nehmer“, also der Partner, den die frommen Herren für ihr Bremer Haus gewinnen konnten. Der Chef der „Achim Grunert Events GmbH“ führte ehedem Lokalitäten wie die Studentenkneipe „Schwarzer Hermann“ oder die „Waldbühne“ im Bürgerpark, seit 1997 managt er das Berliner Sechs-Tage-Rennen. Grunert ist stolz auf das klösterliche „Surrounding“. Und was das Folkloristische betrifft, wird rasch ein Stück Bayern herbeizitiert: Die weiblichen Bedienungen tragen Dirndlähnliches, und die weißen Kurzarmhemden der Männer zieren Knöpfe, wie man sie von den Trachtenjankerl der Volksmusikanten kennt.

Insbesondere aus Süddeutschland zugewanderten Menschen muss das Herz aufgehen, wenn sie die Liste der feilgebotenen Getränke und Speisen inspizieren: Die Schweinshax‘n werden mit „Dunkelbiersoße“ serviert, Münchner Weißwürste gibt‘s „kesselfrisch“ und „im Abteitopf“, und auch der „Topfenstrudel mit in braunem Zucker gerösteten Zwetschgen in Johannisbeersoße“ klingt schon sehr verlockend. Neben den sieben Sorten Andechser Klosterbräu gebe es „einfaches Essen, aber auf hohem Niveau“, sagt Grunert.

Doch auch an zaghafte Norddeutsche, denen das Derbe, Humpige der bayerischen Mentalität etwas fremd ist, haben die Andechser selbstverständlich gedacht: „Zum Kennenlernen“ gibt‘s das „Weißbier Doppelbock Mini“, und zwar – eigentlich ein Frevel – im 0,1-Liter-Glas.Markus Jox