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Archiv-Artikel

Endlich zu den Großen gehören

Die 25-Jahr-Feier der Grünen ist klein und gar nicht rauschend. Dabei haben es die Ökos doch endlich zur „richtigen“ Partei geschafft. SPD-Müntefering: „Ihr hattet eine schöne Kindheit.“ Heute redet Joschka Fischer kaum noch mit der Grünen Jugend

AUS BERLIN ANNA LEHMANN

Keine einzige Sonnenblume ist zu erspähen, nicht einmal eine künstliche. Kein Zweifel, das liebste Naturobjekt der bundesdeutschen Grünen fehlt zum 25. Geburtstag. Für die Pflanze ist das ein Glück, sie braucht frische Luft und helles Licht, die Grünen haben sich jedoch in Berlin den schlauchigen, abgedunkelten Konzertraum der Kalkscheune zum Feiern ausgesucht.

Die Kulturfabrikatmosphäre erinnert an die Anfänge der Grünen, als linke, ökologische und wertkonservative Splittergruppen ein politisches Independent-Projekt unter dem Namen „Sonstige Politische Vereinigung DIE GRÜNEN“ auf die Liste zur Europawahl 1979 setzten. Zur eingetragenen Partei wurden die Grünen erst im Januar des folgenden Jahres. Von Mitgründerin Petra Kelly stammt der Begriff der „Antiparteien-Partei“. Längst sind die Grünen nicht mehr nur Anti, tragen keine kompromisslosen pazifistischen oder ökologischen Haltungen vor sich her und erst recht keine Sonnenblumen.

Die grünen MinisterInnen behalten, selbst wenn sie unter ihresgleichen sind, die Kleiderordnung des deutschen Bundestags bei: Anzug, Hosenanzug oder Kostüm. Die Grünen seien ja auch eine „richtige Partei“, sagt taz-Chefredakteurin Bascha Mika in ihrer Geburtstagsrede und präzisiert, mit „richtig“ sei professionell gemeint.

Richtige Politprofis sind also aus den Grünen geworden. Der Galionsfigur Joschka Fischer würde keiner mehr zutrauen, in Turnschuhen im Parlament zu erscheinen. Mit einem Ring aus Macht und Luft um sich, steht er in einer Ecke des Saals und spricht mit niemandem, der unterhalb des gesellschaftlichen Trittbretts von Sabine Christiansen oder Ministerkollege Jürgen Trittin rangiert. Nein, eine Sonnenblume im Knopfloch, das wäre ein verspieltes, ein unpassendes Accessoire.

„Ihr hattet eine schöne Kindheit und eine gute Jugend“, überbringt SPD-Chef Franz Müntefering die Glückwünsche der „roten Brüder und Schwestern“. Die grünen Brothers and Sisters lauschen und lachen als Müntefering väterlich droht: „Manchmal hätten wir euch ein bisschen mehr an die Kandare nehmen müssen.“ Aber man habe ja viel zusammen geschafft, sagt er jovial. „Ich fang an mit der Zuwanderung …“ Das Glucksen im Saal erstirbt und lebt nur zögerlich wieder auf als Müntefering fortfährt in seiner Aufzählung.

Dem bildungspolitischen Sprecher der Berliner Grünen, Öczan Mutlu ist nicht zum Feiern zumute, und das liege nur am Zuwanderungsgesetz, wie er sagt. Bei der grünen Herzensangelegenheit haben in letzter Instanz SPD und Union die Federführung. Und den Grünen bleibt nur zu versichern, dass sie aufpassen werden wie die Schießhunde, dass die beiden Großparteien nicht doch noch eigene Formulierungen hineinschreiben. Mutlu schüttelt traurig den Kopf „Ne, ich weiß auch nicht. Sie können ja mal den Großen Vorsitzenden nach seiner Meinung fragen.“ Aber der GV ist unnahbar.

Auch für die Grüne Jugend, die Fischer schon oft erfolglos zu ihren Kongressen eingeladen hat. „Dreimal hat er einen Tag vorher abgesagt. Wir haben wahrscheinlich zu wenig politisches Gewicht“, schimpft die 21-jährige Katrin Schmidberger. Die rotmähnige Grünen-Großmutter Eva Quistorp bittet sie um eine Zigarette und sagt: „Wir dürfen die soziale Frage nicht aus dem Blick verlieren.“ Die jungen Grünen verstehen sich als Schnittstelle zu den neuen sozialen Bewegungen, die von der Parteiführung belächelt werden. „Es kann nicht immer nur nach Sachzwängen gehen. Bei vielen Funktionären fehlt mir ein Ziel. Wir brauchen Leute, die Visionen für die nächsten 20 Jahre entwickeln“, meint Schmidberger.

Für Jürgen Trittin ist klar, was er die nächsten Dekaden zu tun hat: „Ich habe im letzten Jahr ein Atomkraftwerk stillgelegt. Im nächsten Jahr kommt wieder eins. Und so weiter.“ In 36 Jahren hätte Trittin dann alle verbliebenen AKWs stillgelegt. Umweltkompetenz war immer eine Stärke der Grünen.