jenni zylka über Sex & Lügen : Fernsehserien, gruselig
Während sie das Kind kriegt, geht der Olle Schampus trinken – in den schönen neuen Babyshows
„Achtung, Panzer!“ waren die ersten deutschen Worte, die mein kanadischer Busenfreund aussprechen konnte. So ähnlich heißt allerdings auch eine der inflationären und gruseligen Fernsehserien, die gerade fast täglich durch den Kasten flimmern und in denen Pärchen öffentlich Kinder ausbrüten.
Wenn ich’s mir genau überlege, heißt sie doch eher „Hallo Baby!“, die Serie. Aber der Effekt auf mich ist der gleiche: So will der Staat (in Form von konformen Privatsendern) meine biologische Uhr aufziehen? Mich zum Nestbauen anregen? Meine Östrogene stimulieren? Mit diesem Kindchenschemaschund?
Noch nicht mal richtig mitgekriegt habe ich, wann genau sich der Wandel vom Titten- zum Stillsender vollzogen hat (obwohl, Vox macht einfach beides: Am frühen Abend „Achtung, Panzer!“, später „Emanuelle im Nationalpark“ o. ä.). Es muss aber irgendwann in den letzten Jahren gewesen sein, als die Babyrate sank und die Singlehaushaltrate nicht unbedingt stieg, aber der Single von der Medienöffentlichkeit als zahlendeR und stark konsumierendeR AbnehmerIn entdeckt wurde. Da setzten sich ein paar Programm-MacherInnen zusammen und überlegten, was in drei Teufels Namen nach Erotik, Talk-Show, Reality-Soap, Quiz-Show und Superstarsuche das nächste große Ding sein könnte. Und entdeckten die Keimzelle der Gesellschaft.
Aber so etwas, das sage ich betont vollmundig, muss man doch professioneller aufziehen! Da kann man doch nicht Paare zeigen, die sich vor laufender Kamera wegen jedem Kleinmist anpflaumen! Bei denen der Olle erst einmal einen Schnaps trinken gehen muss, wenn seine Frau mit schon sechs Komma acht Zentimeter geöffnetem Muttermund in den Senkwehen liegt! Oder der, weil das Pärchen zusammen erst 38 Jahre alt ist, weder weiß, dass Babys noch nicht alleine aufs Klo gehen, noch, dass manche ganz schön laut schreien können.
Natürlich würde rosig-wattige Doris-Day-Atmosphäre voller Baby-Shower und Klapperstorch-Kleiderhaken genauso wenig überzeugen. Was fehlt bei den ätherverpestenden angeblichen Kinderwillkommenspartys im Fernsehen, ist die Bandbreite: Gibt es nicht heutzutage eine Menge Frauen über 30, die den Blagensegen aus guten Gründen relativ weit nach hinten verschoben haben? Gibt es weiterhin nicht auch immer mehr „Mia hat zwei Mamas bzw. Papas“-Bücher? Im Privatfernsehen-Paralleluniversum kommt das alles nicht vor. Da wird allenfalls mit spitzem Mündchen mal das Wort „Lebenspartner“ genuschelt, ansonsten kriegen entweder blutjunge Pärchen das erste Kind oder gestandenen Familien flutscht gelassen das dritte heraus. Und hormonelle Nachhilfe-Sperenzchen oder gleichgeschlechtlicher Kinderwunsch ist den ProgrammspießerInnen (bis auf ganz wenige Ausnahmen) wohl zu ekelig.
Unverständlich ist das! Denn das Kinderkriegen in einer heterosexuellen Partnerschaft ist doch, so viel weiß sogar ich, nicht dermaßen ungewöhnlich, dass man es extra in einer Serie erklären müsste. Viel interessanter wären die vielen, neuen Familienstruktur-Situationen, die die Industrialisierung, die Emanzipation, die Gleichstellung Homosexueller und die Globalisierung erschaffen haben: schwule Paare mit Pflegekind. Allein Erziehende mit einem oder mehreren Kind/ern. Elternsein in fremden Ländern und ohne jegliche Familienanbindung. Puzzlefamilien mit verschiedenen Muttis/Vatis.
Natürlich ist klar, woher der Breichen-Duft weht und wieso sich die Sender winden, solche ebenfalls reellen Fälle darzustellen: Das könnte nach echten Problemen aussehen, eventuell sogar mit dem Staat und seinen Gesetzen, und da passen die pausbackigen Hipp-Werbebabys nicht mehr in die Pausen. Wenn man weiterdenkt, könnte gar einer verlangen, eventuell auch noch echte Problembabys, HIV-infizierte zum Beispiel, oder Kinder drogenabhängiger Mütter mit zur Debatte zu stellen. „Hallo, Crackbaby!“ macht bestimmt keine Quote. Das ist dann eher etwas für das „Auslandsjournal“.
Also versickert die Bemühung, die Untertanen zur folgenreichen Reproduktion anzuregen, in einem süßlichen, mit schmalzigem Pop unterlegten Stofftierzirkus, für Häschen ab fünf. Und für wehmütige Omis mit Enkelwunsch. Na ja, ein Glück. Sonst müsste man womöglich noch zugucken und mitmachen. Und dann alleine pressen, wenn der Olle Schnaps trinken ist.
Fragen zum Problembaby?kolumne@taz.de