: Damen-Talk mit Merkel und Clinton
Über Stylingprobleme und Seitensprünge redeten Angela Merkel und Hillary Clinton am Sonntag in der ARD dann doch nicht. Hatte Moderatorin Christiansen zwar angekündigt, sich dann aber besonnen. Kaum mal ’ne Frau im ihrem Polittalk und schon sind nur die Haare interessant – das wäre nicht gut angekommen.
Wie präsentiert sich also das angebliche Führungspersonal des neuen Jahrtausends? Hat Angela „Kann sie es?“ Merkel überhaupt eine Chance gegen die Frau, der von allen Seiten absolute Professionalität bescheinigt wird? Ungleiche Voraussetzungen: Die ostdeutsche Aufsteigerin schlägt sich mit einer westdeutschen Männerclique herum, in deren Plänen sie einzig als zu beseitigender Störfaktor vorkommt. Und der Umgang mit der Macht als Learning by Doing – dieser Eindruck besteht nach wie vor. Clinton dagegen gilt als „zukünftige Präsidentin“, kennt das Weiße Haus, hat eine Hausmacht und einen guten Lauf. Präsentiert sich auch in der ARD gewohnt intelligent, eloquent, freundlich, professionell – und glatt. Ihre kaltrosa Uniformjacke strahlt es geradezu aus: zugeknöpft bis oben hin. Merkel im Kontrast erscheint in Dunkelrot und Schwarz. Und ihr zwischen Treuherzigkeit und Schalk changierender Blick wirkt plötzlich irgendwie so menschlich.
Beide Damen sprechen sich im Übrigen als Erstes für den Irakkrieg aus – die berühmten „fraulichen Talente“, die Podiumsgast Edzard Reuter, der Ex-Daimler-Chef, ihnen unterstellt, haben mit Friedfertigkeit auf jeden Fall nichts zu tun. Kann eine Frau in dieser Position nur Maggie Thatcher zum Vorbild haben? Heißt „Führung“ immer entweder Mann sein oder die Peitsche respektive Handtasche schwingen?
Diese beiden Damen machen’s anders: Clinton mit Intelligenz und Kommunikationstalent. Gegen die Spitzenanwältin kommt Physikerin Merkel geradezu kartoffelig daher. Sie findet, dass man von der Presse zu schnell gezwungen wird, eine Meinung zu haben. Und verteidigt ihr Recht auf Freizeit. Merkwürdigerweise machen solche Angaben, die sicher nicht im Handbuch pfiffiger Führungskräfte verzeichnet sind, den Fall Merkel erst interessant. Und schließlich will sie ja in Deutschland an die Macht. Eine gewisse Kartoffeligkeit, so zeigt die Ge-chichte ihres Vorgängers, kann da gar nicht schaden. HEIDE OESTREICH