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Archiv-Artikel

EU-Wahlkampf mit dem „Verräter-Slogan“

Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider diffamiert SPÖ-Kandidaten. Grund ist ein Brief von 2000 an EU-Abgeordnete

WIEN taz ■ „Vaterlandsverräter“. Jörg Haider schaffte es erneut, mit einem deftigen Spruch nicht nur in die Schlagzeilen zu kommen, sondern die österreichische Politik in Aufruhr zu versetzen. Der finstere Geselle, dem Haider letzte Woche bei einer Wahlveranstaltung in Kärnten dieses Epitheton umhängte, ist Hannes Swoboda, SPÖ-Spitzenkandidat für die EU-Wahlen. Die Gerichte müsste man mit dem schändlichen Tun dieses Mannes befassen und ihm das Wahlrecht aberkennen, polterte der Kärntner Landeshauptmann.

Corpus Delicti ist ein Brief, den Swoboda vor mehr als vier Jahren per E-Mail an sämtliche EU-Abgeordnete schickte und in dem er volles Verständnis dafür zeigte, dass die EU-Staaten auf die Regierungsbeteiligung der FPÖ „reagieren mussten“. Denn diese Partei bediene sich fremdenfeindlicher und rassistischer Argumente für Stimmenfang. Für Jörg Haider erfüllt dieser Brief den Tatbestand des Vaterlandsverrats, den das Strafgesetz allerdings gar nicht vorsieht. Paragraf 252 kennt den „Landesverrat“, der als „Verrat von Staatsgeheimnissen“ an eine fremde Macht definiert wird.

Da der gelernte Jurist Haider offenbar informiert wurde, dass die rassistische Politik der FPÖ kaum als Staatsgeheimnis zu betrachten ist, verzichtet er jetzt auf Strafverfolgung und ruft die SPÖ auf, ihren Spitzenmann „aus moralischen Gründen“ zurückzuziehen. Zudem solle sich ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss mit dem Swoboda-Brief befassen.

Die SPÖ reagierte empört. Parteichef Alfred Gusenbauer ließ Haider ausrichten, er könne nicht mehr „annehmen, als akzeptierter Gesprächspartner angesehen zu werden“. Das rot-blaue Techtelmechtel, das mit dem Bündnis der Kärntner SPÖ mit dem im März wiedergewählten Landeshauptmann begonnen hatte, ist offiziell beendet.

Empört reagierte auch Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. „Dass Swoboda missverständliche Briefe an alle Europaparlamentarier geschickt hat, wo er praktisch die Unausweichlichkeit der Sanktionen bestätigt, finde ich wirklich empörend.“

Für Verfassungsexperten ist auch die Forderung nach einem Untersuchungsausschuss Unsinn, da solche Ausschüsse nur das Verhalten von Regierungsmitgliedern prüfen können. Dennoch plakatiert die FPÖ inzwischen fleißig den Verräter-Slogan. Für Politologen ein Paniksignal. In den Umfragen liegt die FPÖ noch hinter den Grünen und der Liste des Spesen-Aufdeckers Hans-Peter Martin.

RALF LEONHARD