Goldener Schuss für Drogenpolitik

FDP knickt im Koalitionsstreit über den Fixstern ein und stellt sich trotzdem als Sieger dar. Im Schanzenviertel wird es ab dem kommenden Jahr keinen Druckraum mehr geben, sondern nur noch eine Ausstiegsberatung und Spritzentausch

von PETER AHRENSund ELKE SPANNER

Es gebe „keine Sieger und keine Unterwürfigen“, wenn man im Senat Meinungsverschiedenheiten debattiere, befand der Bürgermeister. Recht hat Ole von Beust damit in diesem Fall allerdings nicht. Die Freidemokraten haben beim Koalitionsstreit um den Gesundheitsraum „Fixstern“ im Schanzenviertel eine klare Niederlage erlitten. Die Fixerstube wird, wie von Schill-Gesundheitssenator Peter Rehaag geplant, zum Jahresende dicht gemacht.

Damit man das Resultat aber trotzdem als Kompromiss verkaufen kann, soll es künftig ersatzweise im Schanzenviertel eine „ausstiegsorientierte Beratungsstelle“ geben. In der werden auch sterile Spritzen ausgegeben, „Drogenkonsum wird jedoch nicht geduldet“. Damit hat sich die Schill-Partei weitgehend durchgesetzt.

FDP-Fraktionschef Burkhard Müller-Sönksen rang sich zwar die Reaktion ab, man sei „sehr zufrieden“ mit dieser Lösung, doch dürfte er mit dieser Meinung in der Partei relativ allein sein. Deutlicher wurden schon die Jungen Liberalen, die von „Stückwerk“ sprachen und feststellten: „Dieser Kompromiss ist nicht tragbar.“ Die FDP hatte sich für den „Fixstern“ stark gemacht.

Der Senat will das nun vereinbarte Modell zunächst bis zum Jahresende 2005 durchführen und die Auswirkungen auf die Szene und das Viertel überprüfen. Für von Beust ist mit dieser Lösung „die Dramatik aus der Angelegenheit heraus“. Der Koalitionsausschuss, den die FDP wegen des „Fixsterns“ angerufen hatte, solle zwar zusammentreten, jedoch vielmehr die Halbzeitbilanz der Regierung bewerten, statt sich über die Drogenpolitik zu unterhalten.

Fast zwei Stunden hatten die Spitzen aus Koalition und Fraktion gestern früh zusammen gesessen. Dabei habe man sich „gesprächsweise aufeinander zu bewegt“, so der Bürgermeister. Ein „Machtwort“ von seiner Seite sei nicht notwendig gewesen, sondern „die intellektuelle Einsicht“ aller Beteiligten.

Die Einsicht in die drogenpolitische Sinnhaftigkeit dieses Kompromisses ist beim Verein „Freiraum“, Träger des „Fixstern“, allerdings nicht sehr groß. Geschäftsführer Norbert Dworsky bezeichnet es zwar als „Erfolg der FDP“, dass zumindest die Drogenberatung, die Wundversorgung für die KonsumentInnen und der Spritzentausch erhalten bleiben sollen. Er weist aber daraufhin, dass Süchtige im Gesundheitsraum des „Fixstern“ im vorigen Jahr 35.000 Mal Drogen konsumiert haben. „Das wird jetzt irgendwo anders stattfinden“, sagt Dworsky. Die Hoffnung Ole von Beusts, dass die Junkies für ihren Konsum in den Druckraum in St. Georg fahren werden, widerspreche jeglicher drogenpolitischer Erfahrung.

Auch die GAL-Fraktion lehnte die Schließung des „Fixstern“ gestern als „unverantwortlich gegenüber dem Stadtteil und den Süchtigen“ ab. „Vor allem die vielen Cracksüchtigen werden nun mit ihrer Krankheit wieder der Straße überlassen“, kritisierte Gesundheitspolitikerin Dorothee Freudenberg.

Die Entscheidung darüber, ob „Freiraum“ die Trägerschaft der neuen Einrichtung übernehmen oder diese ausgeschrieben wird, wird laut Senatssprecher Christian Schnee die Gesundheitsbehörde treffen. Die hatte dem „Fixstern“ die Kündigung zum Jahresende geschickt. Und sollte Freiraum bis August keine verbindliche Zusage für die neue Einrichtung bekommen, müsste der Verein den rund 30 MitarbeiterInnen kündigen. Dworsky: „Das wäre eine Massenentlassung.“