: Mit Störsendern gegen Störsender
Mit technischen Tricks wehrt sich das Regime in Teheran gegen hochprofessionelle TV-Programme in persischer Sprache. Die aber werden von iranischen Exilanten beim „großen Satan“ in Los Angeles produziert und ausgestrahlt. Ziel: der Machtwechsel
von ROLAND HOFWILER
Die Perser sind fernsehbegeistert, behauptet zumindest das „National Iranian TV“. Nach Angaben des Senders hängen in diesen Tagen angeblich so viele Iraner vor der Mattscheibe wie nie zuvor. Doch der Grund der Begeisterung, so die Fernsehmacher, sind nicht allein die Bilder über die waghalsige Trennung der siamesischen Zwillinge Ladan und Laleh Bijani im fernen Singapur, die derzeit um die Welt gehen, sondern die Iraner warten auch auf andere Zeichen: „auf eine Zeitenwende“. Am heutigen Mittwochabend, so prophezeit es „National Iranian TV“, werde „das Ende des Mullah-Regimes eingeläutet“.
Doch was verfolgt „National Iranian TV“ (NITV) mit einer solchen Verheißung? Der Sender, der trotz seines Namens nichts mit dem staatlichen Nationalen Iranischen Fernsehen zu tun hat, gilt als wichtigste politische Exilstimme der Mullah-Gegner. Die Redaktion im amerikanischen Los Angeles macht keinen Hehl aus seiner Absicht, das verhasste Regime in Teheran zu stürzen – mit Hilfe der enttäuschten Jugend in der Heimat. Neben den Fernsehstationen „Channel One“, „Azadi TV“ und „Simaye Azad“ ist es dieser Exilsender, der seit Wochen die Studenten und Jugendlichen in den großen Städten des Iran zu Demonstrationen für Demokratie und westliche Freiheitsrechte aufstachelt. Tausende sind mehrfach den Aufrufen gefolgt und hatten ihr Engagement teuer bezahlt. Allein im Juni landeten nach Straßenschlachten mit fundamentalistischen Schlägertrupps über 470 meist jugendliche Regimegegner hinter Gittern. Und so blieben aus Angst vor staatlicher Repression die von den Exilanten gewünschten Massendemonstrationen bislang aus, mit denen der blutigen Unruhen des 9. Juli 1999 gedacht werden sollte, als es für einen kurzen Augenblick danach aussah, die Mullahs könnten ihre Macht verlieren.
Sollte es in den kommenden Tagen doch noch zu den ersehnten Massenprotesten kommen, die Exilsender würden sofort ihr laufendes Programm stoppen und nach Teheran schalten. Technisch sind die TV-Sender auf diese Sitation gewappnet – mit stillschweigendem Einvernehmen der amerikanischen Regierung. Die setzte ihrerseits ein überraschendes Zeichen: Seit Sonntag strahlt das offizielle Sprachrohr des US-Außenministeriums, die Voice of America, ein neues persischsprachiges Satellitenfernsehprogramm gen Iran aus. „Wir wollen einen weiteren Beitrag für den Kampf um Freiheit und Selbstbestimmung leisten“, so der Direktor der US-Behörde für Auslandsprogramme, Kenneth Tomlinson, vorige Woche bei Vorstellung des Projekts, und Außenamtssprecher Richard Boucher ergänzte: „Wir glauben nicht, dass es auf eine Einmischung, in was auch immer, hinausläuft, wenn man Informationen zur Verfügung stellt.“ Aus Teheraner Sicht sind die „Feindsender“ aus den USA allerdings nichts anderes als eine „moderne Form subtiler Kriegsführung“, gegen die man sich wehren muss. Mit verstärkten Razzien gegen Besitzer von Satellitenschüssel, die derzeit aufgrund einer Gesetzeslücke weder verboten noch erlaubt sind, versuchen die Behörden mancherorts den unliebsamen Wellen Einhalt zu gebieten. In den größeren Städten werden zudem auf die Schnelle mobile Störsender aufgebaut, mit denen es hin und wieder tatsächlich gelingt, die eine oder andere Satellitenfrequenz zu unterbrechen. So bestätigte gestern NITV auf seiner Homepage (www.nitv.tv), dass es dem „teuflischen Regime“ in Teheran am Sonntag wieder einmal gelungen sei, den Empfang in der Heimat zu behindern.
Diesem Katz-und-Maus-Spiel, ständig wechselnde Programmstellplätze auf der einen und Razzien und Störaktionen auf der anderen Seite, sind die Herrschenden im Iran letzlich nicht gewachsen. Anders als einst in Afghanistan oder Irak, wo die einfachen Menschen sich gerade noch ein Radio leisten konnten, genießen die Menschen im Iran einen weit höheren Lebensstandard; moderne Fernsehgeräte, Satellitenschüsseln und Videorekorder gehören längst in jeden bürgerlichen Haushalt.
Mit einem Digitalreceiver sind im Iran über die Satelliten Eutel- und Intelsat kaum weniger Programme zu empfangen als in Mitteleuropa. Und so klafft zwischen den archaischen Idealen des Mullah-Regimes und den westlichen Freiheitsvorstellungen, vermittelt über die unzähligen Fernsehkanäle, eine unüberbrückbare Kluft. Diese wird mit jedem weiteren TV-Programm größer.
Es sind nicht nur die Politsender „NITV“, „Channel One“, „Azadi TV“ und „Simaye Azad“ in persischer Sprache, die dem Regime Kopfzerbrechen bereiten. Neben Music-Channels wie MTV und Viva oder Modekanälen wie Fashion TV gibt es eine ganze Reihe persischsprachiger Sender, die sich kaum von Sat.1 oder RTL 2 unterscheiden. Sie heißen „Tapesh“, „Your TV“, „Jam-e-Jam“ oder „Pars“ und senden Krimis, Western und Realityshows, eben einen Mix, den die Mullahs pauschal als Teufelswerk verdammen und aus dem gesellschaftlichen Leben zu verbannen trachten. Und genau dagegen rebelliert die Jugend, nicht nur am Jahrestag der Studentenunruhen von 1999.