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Archiv-Artikel

Präsident ohne Job, aber mit Manager

Horst Köhler hat sich seinen Leiter des Präsidialamts ausgesucht – in Stärken und Schwächen ein Ebenbild

BERLIN taz ■ Horst Köhler ist derzeit ein Mann ohne Titel. Gewählt am Sonntag vor zehn Tagen, schwebt er bis zum 1. Juli, wenn er seinen Amtseid als neuer Bundespräsident leistet, im institutionellen Nirwana. So vollzog der Mann ohne Amt gestern seine erste Amtshandlung protokollarisch nicht ganz stilsicher: Am Rande einer Buchvorstellung im Gebäude einer Bank verkündete er die Berufung seines Managers.

Die Manager der Bundespräsidenten führen den etwas umständlichen Titel Chef des Bundespräsidialamtes im Range eines Staatssekretärs. Köhlers Wahl fiel auf Michael Jansen, bisher Vorstandsvorsitzender der Zwangsarbeiter-Stiftung. Mit dieser Personalentscheidung bestimmt der Präsident auch den Charakter seiner Amtszeit. Weil Köhler sich gerne als „Reformpräsident“ profilieren will, hat er einen Mann ausgewählt, der für ihn jene „gesellschaftlichen Diskussionen“ organisieren soll, mit denen das Staatsoberhaupt die Republik verändern will. Im Spektrum zwischen grauer Maus und buntem Hund ist der neue Amtsleiter damit näher am Hund als an der Maus – wie auch der Blick auf die Vorgänger zeigt.

Dass von Rüdiger Frohn, Amtschef während fünf Jahren Rau-Regentschaft, kaum einer je hörte, galt unter Beamten als Qualitätsausweis. Über einen Manager vom Typ Tausendsassa verfügte dagegen Raus Vorgänger Herzog. Wilhelm Staudacher wollte Herzog mit einem Think-Tank ausstatten und holte dazu einen Schwung junger Mitarbeiter ins Schwarze Ei, den Rundbau aus poliertem Stein im Park von Schloss Bellevue. Staudacher, inzwischen Generalsekretär der Adenauer-Stiftung, gilt als Erfinder der „Ruck“-Rede, die seinen Präsidenten berühmt machte. Drei Erkenntnisse machten damals die Leistung des Amtschefs aus: Das Thema muss in die Zeit passen, also zum Reformstau in der Schlussära Helmut Kohls; die Rede muss in einen Slogan münden, dem vom „Ruck!“ eben, und die Medien müssen vorher wissen, was sie nachher schreiben sollen, weshalb der schlaue Schwabe die Manuskripte den deutschen Chefredakteuren persönlich zuschickte.

Köhler hat sich einen Mann ausgesucht, dessen Karriereweg seinen eigenen spiegelt: vom Beamten im Ministerbüro (Köhler bei Stoltenberg, Jansen bei Genscher) über einen Job in der Wirtschaft (hie Sparkassenverband, da Degussa) bis zu einer Funktion von überparteilichem und internationalem Zuschnitt (hie IWF, da die Zwangsarbeiterstiftung). Aber beide verbindet auch dasselbe Defizit: Bisher gibt es kaum Hinweise darauf, ob sie der Mediengesellschaft und ihren Gesetzen gewachsen sind. Köhler kündigte gestern jedenfalls an, dass er für seine Reformagenda „das Fernsehen stärker nutzen will“. PATRIK SCHWARZ

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