Keine Bananen, zu viel Schulden

Berlin und Brandenburg sollten schon seit 1999 ein gemeinsames Bundesland sein. Doch die Skepsis der Brandenburger gegenüber der Metropole ist bis heute zu groß

Um den Stand der gemeinsamen Innovationsstrategie soll es vorrangig gehen, wenn am heutigen Dienstag in Potsdam der Berliner Senat und die Brandenburger Landesregierung zusammen tagen. Zugleich steht der „Aufbau zukunftsfähiger Wirtschaftsstrukturen“ im Umfeld des Flughafens Berlin Brandenburg International (BBI) auf der Tagesordnung. Die bislang letzte gemeinsame Sitzung gab es im November 2007. Die geplante Fusion beider Länder war 1996 am Widerstand der Brandenburger gescheitert. Ein Neuanlauf ist nicht in Sicht. Doch auch in wilder Ehe hat sich zwischen den beiden Länder eine enge Beziehung entwickelt. STA

Zur deutschen Wiedervereinigung schien die Sache klar: Berlin sollte ein gemeinsames Bundesland bilden zusammen mit dem Gebiet, das schon von 1947 bis 1952 das Land Brandenburg und später in drei Bezirke aufgeteilt war. Wenn schon im Westen an den Stadtstaaten Hamburg und Bremen nicht zu rütteln war, sollte wenigstens im Osten Schluss sein mit der Insel Berlin. Die Region sofort am Tag der Vereinigung am 3. Oktober 1990 zu verschmelzen, erschien aber selbst den Befürwortern zu krass. Zweistufig sollte das Verfahren daher sein: zwei Länder einrichten, für Annäherung sorgen, 1996 über die Fusion abstimmen und 1999 ein Land sein.

Wer auch immer sich das ausgedacht hatte – er kannte ganz offensichtlich die Mentalität der Brandenburger nicht. Die waren mehrheitlich froh, dass sie nun eigenständig waren, nicht länger nur abhängiges Umland einer zentralistischen Hauptstadt. Mochten die direkten Anrainer auch profitieren: Je weiter weg man sich von der Metropole bewegte, je öfter war das Saure-Trauben-Argument zu hören, dass die Bananen schon immer in die Hauptstadt gegangen seien und man auf eine Wiederholung dieser Erfahrung verzichten könne.

Konsequenterweise scheiterte deshalb im Mai 1996 die Abstimmung über eine Fusion. In Berlin fand sich zwar eine Mehrheit, die mit kaum 53,6 Prozent allerdings auch nicht gerade üppig ausfiel. In Brandenburg hingegen stimmten nur 36,6 Prozent für eine Fusion. In 10 bis 15 Jahren könne man wieder einen Anlauf nehmen, meinten die damaligen Regierungschefs Eberhard Diepgen (CDU) und Manfred Stolpe (SPD) frustriert.

Die Planungen für einen neuen Versuch lagen schließlich schon früher vor. Abstimmung 2006, Fusion 2009, so sah es der erste Koalitionsvertrag von Rot-Rot in Berlin vor. Inzwischen aber waren es nicht mehr die Bananen, die angeblich immer nur nach Berlin gingen, sondern die explodierenden Schulden der Hauptstadt, die viele Brandenburger abschreckten – Brandenburg hatte weniger als ein Drittel der Berliner Schulden.

Diese Stimmung ging auch an der Brandenburger SPD nicht vorbei, die seit 1990 den Ministerpräsidenten stellt: Führende Sozialdemokraten, an der Spitze Stolpes Nachfolger Matthias Platzeck, stellten den Fahrplan seit 2003 in Frage und kippten ihn schließlich komplett. Im noch gültigen Koalitionsvertrag von SPD und CDU nach der Landtagswahl 2004 kommt er nicht mehr vor.

„Machen wir uns nichts vor, ein gemeinsames Land besteht aus Berlin mit angeschlossener Landschaftspflege“

Doch immer wieder kochte das Thema mal hoch, wurden neue Zeitpläne diskutiert. Ein Zitat von Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) Anfang 2005 trug allerdings nicht gerade dazu bei, Vertrauen zu wecken: „Machen wir uns nichts vor, ein gemeinsames Land besteht aus Berlin mit angeschlossener Landschaftspflege.“

Der bislang letzte Plan sah vor, parallel zur Bundestagswahl abzustimmen und 2013 zu fusionieren. Doch wieder sah Platzeck keinen ausreichenden Rückhalt in der Bevölkerung. Er wirkte zusehends genervt, wenn Berlin drängte, denn über 60 Prozent in seinem Land würden die Fusion schlicht nicht wollen. „Mir steht’s bis oben hin“, gab Platzeck vor zwei Jahren von sich, „man muss endlich mal das Brandenburger Volk ernst nehmen.“STEFAN ALBERTI