Tempelhof darf ruhiger werden

Luftfahrtbehörde gibt ihr Okay zur Stilllegung des Flughafens Ende Oktober. Doch die Airportlobby heult laut auf. Die Fluggesellschaften wollen klagen. Das könnte das Aus zumindest aufschieben

VON STEFAN ALBERTI

Die Vision der großen Wiese mit grasenden Auerochsen statt röhrender Flieger mitten in Tempelhof ist gestern näher gerückt. Der defizitäre Flughafen darf wie vom Senat geplant Ende Oktober dicht machen, entschied gestern die zuständige Luftfahrtbehörde. Die elf in Tempelhof startenden Fluglinien wollen sich aber wehren. „Sobald uns der Bescheid offiziell vorliegt, werden alle Airlines klagen“, sagte ein Sprecher ihres Verbands AOC. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung begrüßte das Votum der Behörde: Das sei ein erster Baustein für den geplanten Großflughafen Schönefeld, der einziger Flughafen Berlins werden soll.

Der Widerstand der Fluglinien kann das Aus im Herbst aber noch gefährden. Zwar verweist die Senatsverwaltung darauf, dass die Luftfahrtbehörde „sofortigen Vollzug“ zum 31. Oktober angeordnet habe. Daran ändere auch die Klagedrohung nichts. Ein Sprecher des zuständigen Oberverwaltungsgerichts aber sagte der taz, es gebe grundsätzlich die Möglichkeit des vorläufigen Rechtsschutzes. Das hieße: keine Schließung, bis die eigentliche Klage entschieden ist. Die Fluggesellschaften wollen Widerspruch einlegen. „Damit können wir verhindern, dass wir unsere Klage durchbringen, aber dann der Flughafen schon dicht ist“, sagte AOC-Sprecher Bernhard Liscutin.

Offiziell hat die Luftfahrtbehörde nicht die Schließung beschlossen, sondern die staatliche Betreibergesellschaft Berliner Flughafen GmbH (BFG) von der so genannten Betriebspflicht entbunden. Dazu gehört etwa, für Sicherheitsdienste und Feuerwehr zu sorgen. Ohne diese können die Fluglinien nicht länger in Tempelhof landen. BFG-Chef Dieter Johannsen-Roth sagte, die Entscheidung entlaste die Berliner Flughäfen „von einer ihrer größten Verlustquellen“.

Neben der AOC lehnen auch die Flughafenlobby „Interessengemeinschaft City-Airport Tempelhof“ (ICAT) und die Industrie- und Handelskammer (IHK) die Schließung ab. Erstmals werde in Deutschland ein internationaler Flughafen ohne gleichwertigen Ersatz und gegen den Willen der betroffenen Fluggesellschaften geschlossen, kritisiert die IHK.

Die ICAT zitierte den Stararchitekten Norman Foster, der Tempelhof „Mutter aller Flughäfen“ genannt habe, und bezeichnete die Schließung melodramatisch als „Muttermord“. Dadurch würden „gewachsene Strukturen, Zukunftschancen, Arbeitsplätze und Renommé geopfert“.

CDU-Verkehrspolitiker Alexander Kaczmarek kritisierte die Entscheidung als unüberlegt. Die Klagen der Fluglinien würden sie „hinwegfegen“. Zufrieden war hingegen Michael Cramer (Grüne). Er habe durchaus daran gezweifelt, dass der Senat an der Schließung festhalte.

In der Senatskanzlei beim Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) will man die Entscheidung so erwartet haben. Großartig erleichtert sei keiner gewesen, hieß es. Auch hier war man sich aber bewusst, dass der Beschluss noch nicht zwingend heißt, dass ab Oktober kein Flieger mehr von Tempelhof startet.