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Archiv-Artikel

4. Spanische Filmtage im 3001-Kino Mutig platzierte Themen des sozialen Lebens

Ungewöhnlich ist die Methode, die Sonia Hermann Dolz anwendet, um einen Ort zu porträtieren: Eine faltendurchzogene Gesichtslandschaft bestimmt das Eingangsbild. Wenn der Puderquast über die Hautfläche fährt, die Augen sich prüfend zusammenkneifen, ist man nah – so nah beim Gegenüber, dass der Über- und Einblick fehlt. Das Gesicht wird zur undurchschaubaren Fläche, bewohnt vom Alter, das die Zeit nicht kennt. Derart in die Fremde des Gegenübers gesetzt, befreit sich der Blick im Verlauf des Films, wenn Detail auf Detail folgt, um ein Gesamtmosaik zu bilden.

So erzählt Yo soy asi („So bin ich“) mit der Geschichte der Varieté-Kneipe Bodega Bohemia weit mehr als deren letzte Tage. In ihrem Mikrokosmos wuchert eine Wahlfamilie von AußenseiterInnen, die sich hier ein Zuhause bieten, das nur an diesem Ort existiert. Transvestiten und Transsexuelle, alternde KünstlerInnen und behinderte Menschen finden Abend für Abend zusammen, um sich auf der Bühne neu zu entwerfen. Die Achtung und Aufmerksamkeit, die sie sich entgegenbringen, fehlt in der Außenwelt. Sie sind arm, alt, anders, haben einander und sind jeden Abend Stars: „Ich bin so ... ich habe Augen, die träumen und eine Aussteuer, die Gefühle hervorruft“, heißt es in dem Lied des schwulen Transvestiten Mario, das dem Film seinen Titel gab. Yo soy asi verdoppelt dieses radikale Plädoyer zum Anderssein, weil er das Dokumentarische als Form von Ästhetik enttarnt, indem er die Genre-Grenzen sprengt.

Ist Yo soy asi durch die Wahl seiner Mittel mutig, sind es andere Filme bei den 4. Spanischen Filmtagen im 3001, was ihre Themenauswahl angeht. Solo mia („Du gehörst mir“) von Javier Balaguer erzählt die Geschichte von Angela, die nach der Geburt ihres ersten Kindes von ihrem Mann misshandelt wird. Die Verschachtelung von Sozialem und Privatem wird hier vorbildhaft gezeigt: traditionelle Rollenzuweisungen sind maßgeblich an der Entstehung häuslicher Gewalt beteiligt. Joaquins Forderung an Angela, einzig und allein für sein Wohlergehen sowie das des Kindes zuständig zu sein, deckt sich mit dem traditionellen Bild der fürsorglichen Frau und Mutter. So entlarvt sich Gewalt nicht als Willkür eines Einzeltäters, sondern wird als Zuspitzung gesellschaftlicher Strukturen gezeigt.

Auch Los lunes al sol („Montags in der Sonne“) beschreibt entlang von Einzelschicksalen soziale Missstände. Santa, José und Nino sind ehemalige Hafenarbeiter, die gemeinsam ihre Zeit totschlagen, während sie vereinzelt versuchen, mit der Situation ihrer Arbeitslosigkeit umzugehen. Weil sie sich schämen, ihre Verzweifelung mit anderen zu teilen, und ihnen eine gemeinsame Sprache fehlt, ihre Situation ins Soziale zu übersetzen und gegen die Demütigung des „Nicht-Gebrauchtseins“ zu kämpfen, kommt es zu einer Katastrophe, die ihnen den Antrieb zur Auflehnung gibt.

Mit Barrio (Foto: Verleih) ist ein weiterer Film von Fernando León de Aranoa im Programm, der einen im Stadtviertel verbrachten Sommer von Jugendlichen aus dem ArbeiterInnenmilieu zeigt. Mit Krampack, der eine schwule Coming-out-Geschichte mit Respekt und Wärme erzählt, teilt er die Sensibilität für jugendliche Sprache und Gesten. Wenn zum Auftakt Poligono Sur („Vorstadt Süd“) auf den Spuren des Flamenco wandelt, wird ein weiteres Stereotyp über Spanien auf dem Prüfstand stehen. Doch das beweist die Filmreihe ohnehin: Das spanische Kino bewegt sich abseits ausgetretener Pfade und platziert mutig seine Themen des sozialen Lebens. DORO WIESE

Eröffnung (mit Poligono Sur): Do, 20 Uhr, 3001; Poligono Sur: Mo; Barrio: Fr; Solo mia: Sa + Do, 17.7.; La communidad: Di + Mi; Krampack: Fr, 18.7. + So, 20.7.; Los lunes al sol: Sa, 19.7., Mo, 21.7., + Di, 22.7.; Yo soy asi, Mi, 23.7.; alle 20.30 Uhr, 3001