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Archiv-Artikel

Die Schuld ist Strafe genug

Ein Mann hantiert in seiner Küche mit zwei Benzinkanistern, einer gerät in Brand, eine 77-Jährige Hausbewohnerin stirbt an einer Rauchgasvergiftung

Von ube
Auch der Staatsanwalt nennt die Verkettung der Ereignisse einen „tragischen Fall“

taz ■ Manchmal schreibt das Leben schlimme Geschichten. Die von Berthold T. ist so eine. Eigentlich hatte er an einem Tag im Juli 2000 nur in seiner Küche in der Gutenbergstraße Benzin aus einem Zehnliter- in einen Fünfliter-Kanister umgefüllt.

Als er den kleinen Kanister auf dem Boden zugeschraubt hatte und sich aufrichtete, begriff er zunächst nicht was er sah: Das größere Behältnis auf der Waschmaschine neben dem Herd stand in Flammen. Aus dem offenen Kanister war Benzingas ausgeströmt und hatte sich am eingeschalteten Gasherd entzündet. Dass dort zwei Stunden lang Wasser vor sich hin köchelte, hatte T. schlicht vergessen. Als er den brennenden Kanister packte und überstürzt aus dem Haus schaffte, schwappte Benzin in den Hausflur und setzte auch den in Brand, das hölzerne Treppenhaus wirkte wie ein Kamin. Die sofort alarmierte Feuerwehr konnte die 77-jährige Frau M. im Obergeschoss nicht mehr retten: Sie starb an einer Rauchgasvergiftung.

Gestern musste sich der arbeitslose Baufacharbeiter und Tischler vor dem Bremer Amtsgericht wegen fahrlässiger Tötung verantworten. Er berichtete den Hergang der Ereignisse in allen Einzelheiten, geriet dabei immer wieder ins Stocken. Schnell waren sich Anklage, Verteidigung und das Schöffengericht einig: Diese Verkettung von unglücklichen Umständen sei ein tragischer Fall – in dessen Folge aber ein Mensch starb.

Richterin Ellen Best stellte fest, allein der Umstand, dass T. Benzin in seiner Küche umgefüllt habe, sei ihm nicht vorzuwerfen. Dass er sich vorher nicht vergewissert hatte, ob er mit dem brennbaren Stoff gefahrlos hantieren könnte, sei ihm allerdings als „Verletzung der Sorgfaltspflicht“ vorzuhalten. Für den Angeklagten spreche seine aufrichtige Reue und dass er trotz Panik versucht hätte zu retten, was zu retten war. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft, Sebastian Berger, führte zwar aus, dass es klüger gewesen wäre, den Brand in der Küche zu ersticken, fügte aber hinzu, dass er dies T. nicht vorwerfen wolle. Der Baufacharbeiter hatte sich selbst schwere Verbrennungen an den Händen zugezogen, bekam Hautverpflanzungen, seine Hände sind bis heute in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt. Das und seine psychischen Probleme sieht T. selbst als „Buße“, die er tut. Viel schlimmer aber sei das Leid der Angehörigen von Frau M., zu denen der 50-Jährige eine fast familiäre Beziehung hatte.

Bei der Urteilsbegründung sagte Richterin Best: „Es ist ein schreckliches Gefühl, wenn man für den Tod eines Menschen verantwortlich ist.“ Von einer Bestrafung wollte das Schöffengericht nicht absehen. Aber es sprach die geringst mögliche Strafe, eine Verwarnung mit Geldstrafe unter Vorbehalt aus. Das ist eine Art Geldstrafe auf Bewährung. Die Richterin erklärte: „Wir stellen die Schuld fest, aber die Strafe ist symbolisch.“ ube