pampuchs tagebuch : Paddeln statt surfen
Oh, du schönes Bayernland! Wie herrlich ist es, in diesem heißen Sommer durch deine Fluren zu streifen, deine Berge zu erklimmen oder aber deine Flüsse hinabzupaddeln. Die brave Loisach etwa, die aus der Tiefe der Alpen kommt, die Zugspitze geschickt umschlängelnd Oberammergau passiert, sich durch das liebliche Murnauer Moos windet, bei Schlehdorf in den Kochelsee hinein-, aber auch gleich wieder hinausfließt, um sich dann bei Wolfratshausen mit der Isar zu vermählen und stolz – wenn auch nicht mehr unter ihrem Mädchennamen – die Landeshauptstadt München zu durchqueren – der Donau, Wien, Budapest und dem Schwarzen Meer entgegen.
Ich bin die Loisach hinunter nach Schlehdorf gepaddelt, von Oberau aus, 25 Kilometer weit, in einem gelben Metzeler Schlauchboot. Um drei mittelschwere Wehre mit groben Steinen und gefährlichen Wasserschnellen mussten wir das Boot herumtragen. Die Loisach mag so friedlich aussehen, wie sie klingt, ein wenig nass kann sie schon mal werden.
Doch ich will hier nicht mit meinen Gummibootexpeditionen renommieren. Vielmehr geht es darum, die Welt digital teilhaben zu lassen an der Freude über die oberbayerische Landschaft. Das soll seit neustem möglich sein, weil die Bayerische Staatsregierung die Bayerische Vermessungsverwaltung („Ihr Partner für Geodaten – amtlich – flächendeckend – aktuell“) beauftragt hat, den „BayernViewer“ (www.geodaten .bayern.de) ins Netz zu stellen. Was viele Nordlichter ohnehin seit langem machen, das können sie auf dieser Website nun offiziell und mit dem Segen der Staatsregierung systematisch tun: Bayern von oben herab betrachten. Und das akkurat – nicht nur auf Karten in allen Maßstäben, sondern auch auf dazugehörigen maßstabgetreuen Luftbildern – so genannten Orthofotos. BayernViewer wendet sich „vor allem an Privatanwender, die z. B. ihren Wohnort aus der Vogelperspektive betrachten, oder die Länge ihrer Laufstrecke bzw. Radstrecke nachmessen wollen“. Geboten wird den Vögeln, Läufern und Radlern „Ortssuche mit georeferenzierter Schnellanzeige, Navigation, Messen von Strecken, Umfang und Flächen, Bilder bis zu 40 cm Bodenauflösung …“ sie lassen sich nicht lumpen, die bayerischen Landvermesser. Nah dran an Bayern.
In der Praxis ist es allerdings mit der Viewerei noch recht schwierig. Ich habe „Oberau“ eingegeben, mit dem Maßstab herumgespielt und bin tatsächlich zu einigen Orthofoto der Loisach gekommen – von sehr weit oben allerdings. Das mit dem Nachmessen einer Paddeltour ist entschieden schwieriger als das Paddelbootfahren selbst (und dauert etwa genauso lang). Als ich versuchte, mir mein Haus in München aus der Vogelperspektive anzusehen, ächzte mein Kistchen, zog grafisch interessante 10fach-Schlieren und verhedderte sich ein ums andere Mal. Von hoch droben konnte ich aber einen Blick auf München und Isar werfen. Rilke kam mir in den Sinn, der aus einer Dachwohnung auf Schwabing schauend gesagt haben soll: „Der Anblick ist schön, aber etwas dächern.“ Mit dem BayernViewer wissen wir nun: Rilke hatte Recht. München von oben ist extrem dächern. So nah wie der Dichter kommen die Viewer dem dächernen Leben freilich nicht – oder jedenfalls nicht so einfach. Denn eins haben die Landvermesser sichergestellt: Sie wollen schon wissen, wer da von oben guckt. Immer wenn man die höheren Auflösungsstufen anklickt, kommt die Meldung „Digitale Orthophotos in dieser Auflösung erhalten Sie gegen Bestellung flächendeckend für Bayern.“ Richtig so: Wer uns auf Dach guckt, muss blechen. Je dächern, desto blechern.
THOMAS PAMPUCH