Angst vor der Rückkehr toter Soldaten

In Polen sinkt die Zustimmung zum Irak-Einsatz ständig. Dessen „finales Ziel“ sind laut Regierung irakische Ölquellen

WARSCHAU taz ■ In Polen wird die Angst immer größer. Seit die ersten 250 Soldaten in den Irak geflogen sind, schalten Bus- und Taxifahrer in Polen ihre Radios lauter, wenn die Nachrichten kommen. „Wie geht es den polnischen Soldaten im Irak? Sind alle gesund, keiner verletzt?“

Diese Fragen bewegen alle, egal ob sie Kriegsbefürworter oder -gegner waren. 90 Prozent der Polen fürchten, dass der geplante Einsatz von 2.300 polnischen Soldaten und Zivilisten im Irak so gefährlich sein könnte, dass einige nicht mehr lebend zurückkehren werden. Nach einer von der konservativen Zeitung Rzeczpospolita in Auftrag gegebenen Umfrage wollen 58 Prozent der Befragten, dass der Einsatz im Irak abgebrochen wird, wenn polnische Soldaten dort umkommen sollten. Nur 38 Prozent treten für eine Fortsetzung der Aktion ein, auch wenn es Opfer geben sollte.

Während die politischen Eliten stolzen Patriotismus zur Schau tragen, macht sich in der Bevölkerung ein immer größeres Unbehagen breit. Als vor einer Woche die ersten 250 Männer und Frauen sich für mindestens ein halbes Jahr von ihren Familien verabschiedeten, tröstete Verteidigungsminister Jerzy Szmajdzinski sie mit den Worten: „Dies ist die wichtigste Mission der Welt im frühen 21. Jahrhundert.“ Auch Premier Leszek Miller ging kaum auf die Ängste der Menschen ein, sondern verkündete, dass „der polnische Soldat eine großartige Reputation in der Welt“ genieße und alle stolz darauf sein könnten.

Die meisten starrten betreten zu Boden. Schließlich wird keiner der Soldaten in der Tradition des polnischen Freiheitskampfes in den Irak ziehen. Der Auslandssold ist dreimal so hoch wie der in Polen. Das ist der Grund, weshalb die meisten das Risiko des gefährlichen Einsatzes auf sich nehmen.

Als dann Polens Außenminister Wlodzimierz Cimoszewicz auch noch meinte, dass das „finale Ziel“ des Irak-Engagements Polens die irakischen Ölquellen seien, ging die Stimmung vollends in den Keller. Bislang hatten selbst die polnischen Kriegsgegner gehofft, dass zumindest das Ausland denken könnte, Polen sei aus hehren Motiven in den Krieg gezogen. Immerhin hatte auch die polnische Kulturelite diese Argumente bemüht: „Kampf gegen den Terror an der Seite der Amerikaner“, Befreiung der politischen Gegner Saddams aus den Gefängnissen“, „Aufbau der Demokratie im Irak“.

Doch nun ist endgültig klar, worum es der polnischen Regierung im Irak geht. Nach der Unterzeichung eines Vertrages zwischen dem amerikanischen Konzern Kellog, Brown & Root und der polnischen Erdölfirma Nafta Polska SA erklärte Cimoszewicz: „Das ist unser Endziel […]. Wir verbergen nicht, dass wir wollen, dass polnische petrochemische Unternehmen endlich unmittelbaren Zugang zu Rohstoffen haben.“ Seit dem 1. Mai, als George W. Bush „die größten Kampfhandlungen“ im Irak für beendet erklärte, sind 28 amerikanische und 6 britische Soldaten von irakischen Heckenschützen getötet worden. Jeden Abend bringt das polnische Fernsehen Bilder von wütenden Irakern, die „Ami go home“ schreien und ihre Waffen in die Kameras halten. Nicht nur der Kommentator des Nachrichtenmagazins Polityka fragt sich inzwischen: „Was machen wir eigentlich im Irak?“

GABRIELE LESSER