: Unterschreiben gegen Rot-Rot
Heute startet das Volksbegehren, das den Senat stürzen soll. Und die Initiatoren planen rasant nächste Schritte. Nach der Polizeigewerkschaft macht jetzt auch die GEW mit
Die Initiative „Volksbegehren für Neuwahlen“ belässt es nicht bei Ankündigungen und macht Ernst: Mit einem Konzert der ebenfalls von den Kürzungen betroffenen Berliner Symphoniker wird heute um 11 Uhr auf dem Alexanderplatz der Startschuss gegeben. „Das Warten und die Sondierungen haben ein Ende“, heißt es euphorisch in einer Ankündigung von Mitorganisator Michael Hammerbacher. Ab jetzt kann also begehrt werden.
Und sie sind zuversichtlich, dass sie die für den ersten Schritt benötigten 50.000 Unterschriften zusammenbekommen werden, um das Volksbegehren gegen den rot-roten Senat einzuleiten. Zwei zahlenmäßig große Institutionen haben sich bereits hinter die Initiative gestellt. Schon seit einiger Zeit mit dabei: die Gewerkschaft der Polizei (GdP). Neu im Boot: die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaften (GEW). Auf ihrer Delegiertenversammlung votierten die Mitglieder gestern mit großer Mehrheit für das Volksbegehren.
Sie alle wollen, dass es dem rot-roten Senat an den Kragen gehen soll: Entweder er nimmt die Risikoabschirmung für die Bankgesellschaft, die Kürzungen bei Bildung, Kultur sowie Sozialem zurück und stoppt die Privatisierung öffentlicher Einrichtungen. Oder es kommt zum Volksentscheid mit anschließenden Neuwahlen.
Die Initiative um Birger Scholz und den ehemaligen Kreuzberger PDS-Politiker Michael Prütz, die beiden Hauptinitiatoren, hat bereits den Charakter einer Massenmobilisierung. Bereits gestern verteilten die Volksbegehrenden massiv Flugblätter, um auf der Betriebsversammlung von Vivantes jedem einzelnen Beschäftigten „ein Mittel in die Hand“ zu geben, den Druck auf den Senat zu erhöhen. Die rund 6.000 Vivantes-Mitarbeiter hatten sich getroffen, um über die jüngsten Sparpläne der Geschäftsleitung und des Senats zu diskutieren.
Die weitere Planung
Und im Schnelldurchlauf soll es in den nächsten Tagen weitergehen: Bereits am Sonntag wollen die Aktivisten im Anschluss an den stadtpolitischen Kongress (siehe Bericht oben) die ersten regionalen Gruppen bilden: eine Gruppe Mitte, die sich für die Großregion mit Spandau, Reinickendorf, Pankow, Weißensee und Hohenschönhausen kümmert, eine Gruppe aus Neukölln, die auch für Treptow, Lichtenberg, Köpenick, Hellersdorf und Marzahn zuständig ist und die größte Gruppe aus Friedrichshain-Kreuzberg, verantwortlich für Schöneberg, Charlottenburg, Wilmersdorf, Zehlendorf, Steglitz und Tempelhof.
Auch programmatisch soll es in rasanten Schritten vorangehen: Verschiedene Arbeitsgruppen haben den Auftrag, jeweils für die Themen Wirtschaft, Finanzen, Arbeitswelt, Sozialpolitik, Internationales und Bildung, Programme auszuarbeiten.
Aber nicht nur bei den Prütz-Anhängern, bei der GEW und der GdP bewegt sich etwas. Auch in den anderen Gewerkschaften in Berlin rumort es. Im Landesverband der IG Metall wird seit Wochen über eine Beteiligung gestritten. Die Industriegewerkschaft Bau, Agrar und Umwelt (IG BAU) wird in zwei Wochen entscheiden. Ihr Landesvorsitzender Lothar Nätebusch hat sich so wie einige seiner Kollegen bereits für das Volksbegehren ausgesprochen.
Allein mit diesen vier Gewerkschaften, die in Berlin einige zehntausend Mitglieder zählen, könnten Prütz & Co. die 50.000 Unterschriften schnell zusammenbekommen. Doch der Eindruck täuscht. Denn wofür sich einzelne engagierte Gewerkschaftsfunktionäre aussprechen, lässt noch lange keine Rückschlüsse auf das tatsächliche Mobilisierungspotenzial zu. Dem Gros der Gewerkschaftsmitglieder fehlt die organisatorische, vor allem aber die inhaltliche Anbindung zu ihrer ehrenamtlichen Spitze.
Zumindest scheint das der rot-rote Senat so zu sehen. Bisher haben es nämlich weder führende Politiker der PDS noch der SPD für nötig gehalten, das gegen sie gerichtete Begehren in irgendeiner Hinsicht zu kommentieren. FELIX LEE