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Archiv-Artikel

„Eure erneuerbare Energie ist Öko-Kolonialismus“

In Bonn haben indigene Völker kein Mitspracherecht auf der Energiekonferenz. Dabei sind sie es, die von den Vorbildprojekten vertrieben werden

BONN taz ■ „Eure erneuerbare Energie ist nichts anderes als Öko-Kolonialismus.“ Für Hector Huertos Gonzales können die Worte gar nicht scharf genug sein. Der panamaische Anwalt ist als Sprecher verschiedener zentralamerikanischer Indianerorganisationen nach Bonn gereist. Sein Argument: „Auf dieser Konferenz spielen die Interessen der Ureinwohner keinerlei Rolle.“

„Tatsächlich hat es noch nie eine derartige Weltkonferenz ohne Beteiligung der indigenen Völker gegeben“, sagt Johannes Rohr vom „Institut für Ökologie und Aktionsethnologie“. In Johannesburg 2002 etwa, der Ursprungskonferenz der „renewables“, seien die Ureinwohner „selbstverständlich“ mit einem Verhandlungsmandat ausgestattet gewesen. Diesmal sind Vertreter indigener Völker nur Beobachter. Dabei habe die UNO Schutz und Rechte der weltweit etwa 350 Millionen Ureinwohner festgeschrieben.

„Erneuerbare Energien verstoßen permanent gegen diese Rechte“, sagt Hector Huertos Gonzales. Zum Beispiel die Staudämme Taba Sara 1 und 2, die in einer Comarca – einem selbst verwalteten Indianergebiet Panamas – liegen. „Obwohl die dortigen Indianer gegen diese Dämme waren, wurden sie gebaut. Sie haben nicht einmal eine Entschädigung für das verlorene Land bekommen“, sagt Gonzales. Statt dessen hätten sie mit Krankheiten wie Malaria zu kämpfen – und sitzen weiter im Dunkeln. „Es gibt in Panama keine Bestimmung, nach der die Indianer mit Strom versorgt werden müssen.“

Ähnliches berichtet Daniel Salau, ein Massai aus Kenia: „Über 10.000 Menschen wurden aus dem Great Rift Valley vertrieben.“ Das Great Rift Valley ist ein enormer Grabenbruch in der Erdrinde, der vermutlich während des Kontinentaldrifts vor 2 Millionen Jahren entstand. Vor allem in Kenia wird das vulkanische Potenzial genutzt: Etwa 10 Prozent des kenianischen Jahresverbrauchs von 1.235 Megawatt werden durch Geothermie – der Nutzung von Erdwärme – gedeckt. Und nun soll das enorme Potenzial ausgebaut werden – auch mit deutschem Geld. Mit 10 Millionen Euro beteiligt sich das Entwicklungsministerium an der Erschließung entlang des über 6.000 Kilometer langen Grabens. Einen entsprechenden Vertrag unterzeichnete am späten Mittwoch die Bundesministerin für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) mit ihren Kollegen aus Uganda, Tansania, Kenia, Eritrea und Äthiopien.

„Das ist schlecht für mein Volk“, sagt Salau, der Massai, der weitere Vertreibung fürchtet. „Es gibt nämlich keine Entschädigung, keine Starthilfe, statt dessen eine Zunahme von Krankheiten und Depression.“ Das Groteskeste sei, dass die Massai der Energiegewinnung zwar weichen müssen – aber nichts davon haben. „Wir bekommen keinen Stromanschluss.“

Dabei hat Salau nichts gegen Geothermie als solche. „Das Problem der Massai ist ein Demokratieproblem. Würde der Staat Kenia unsere Rechte akzeptieren und demokratisch behandeln, könnte das Potenzial ganz unproblematisch ausgebaut werden.“ „Wir finanzieren erneuerbare Projekte nur, wenn eine Akzeptanz der Bevölkerung vorliegt“, erklärte Jayantha Nagendran im Plenum, der bei der DFCC Bank aus Sri Lanka für Energie zuständig ist. Und mehrfach betonten Redner, regenerative Energie könne man nur mit, nicht gegen die Menschen ausbauen. Aber genau das fehlte: die Stimmen von „unten“.

Die indigenen Völker wandten sich deshalb gestern mit einer Deklaration an das Konferenz-Sekretariat. „Indigene Völker begrüßen den Ausbau erneuerbaren Energie, aber nur, wenn sie a) selbst wirtschaftlich und energetisch partizipieren und b) wenn ihre Rechte gewahrt werden.“ Yusuf Ali Lakicha vom Stamm der kenianischen Borana: „Wir wollen, dass die Konferenz das zur Kenntnis nimmt.“

Um noch einmal Hector Huertos Gonzales, den Kuna-Indianer aus Panama, zu zitieren: „Unsere Lebensquelle ist der Wald, der Baustoff, Energie und Nahrung liefert.“ Etwa 60.000 Kuna leben im Osten Panamas auf 360 Archipelen. Jetzt will ein nationales Unternehmen dort mit Weltbankgeld Solarparks bauen – damit die Kuna umsteigen. „Wir sind nicht gefragt worden“, sagt Gonzales, der als Anwalt arbeitet. „Hätte man uns gefragt, hätte die Mehrheit abgelehnt. Ihr bringt uns doch nur den Strom, damit wir so konsumieren wie ihr.“

NICK REIMER