Auch die Lehrer wollen weniger arbeiten

Die Gewerkschaften bestehen auf weiteren Gesprächen mit dem Senat über die Auslegung des Tarifkompromisses im öffentlichen Dienst: Auch für Schullehrer soll die Arbeitszeit reduziert werden. 255 neue Stellen für Pauker gefordert

Der vor gut einer Woche ausgehandelte Tarifkompromiss im öffentlichen Dienst soll ein Nachspiel haben. Das fordern zumindest die daran beteiligten Gewerkschaften Ver.di, die Polizeigewerkschaft GdP, die Lehrergewerkschaft GEW und die IG Bau. Der Grund für den weiteren Gesprächsbedarf: Die Lehrer sehen sich durch den Tarifkompromiss, der direkt nur die angestellten und nicht die beamteten Lehrer betrifft, massiv benachteiligt. „Es kann nicht sein, dass ein Lehrer eine halbe Stunde länger arbeitet als vorher, aber zwölf Prozent weniger Gehalt bekommt“, kritisierte GEW-Chef Ulrich Thöne gestern.

Stein des Anstoßes ist offenbar die Nichteindeutigkeit des Tarifkompromisses. Vereinbart wurde zwar, die Pflichstundenzahl der angestellten Lehrer um 1,5 Stunden pro Woche zu reduzieren. Strittig bleibt aber, von welcher Basis diese Reduzierung aus berechnet werden soll: von der ursprünglichen Wochenstundenzahl oder von der, die im Januar um zwei Stunden angehoben worden ist. Im letzteren Fall würde ein Lehrer eine halbe Stunde länger arbeiten, aber weniger Geld bekommen.

Die Gewerkschaften fordern vom Senat nun die Rücknahme der Arbeitszeitverlängerung für Lehrer. Bevor der Tarifvertrag unterschrieben wird, will die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) gesonderte Gespräche mit dem Senat über offene Fragen führen. Die Senkung der Pflichtstundenzahl sei unabhängig von der Verringerung der Arbeitszeit im Rahmen des Tarifvertrages, die an die Senkung des Gehalts gekoppelt sei, so Ulrich Thöne. „Der Senat soll eine eindeutige Erklärung abgeben, dass es zu Verhandlungen mit diesem Ziel kommt.“

Zudem beharren die Gewerkschaften darauf, dass es für die 255 zu besetzenden Lehrerstellen Neueinstellungen geben soll. Bei den 388 Stellen von Erziehern würden die Gewerkschaften auch akzeptieren, dass der Senat auf Beschäftigte im Personalüberhang zurückgreift.

Zwischen GEW und Ver.di hatte es heftigen Streit um die Auslegung des Tarifvertrages gegeben. Ver.di lehnte die von der GEW verlangten Nachverhandlungen strikt ab. Die Gewerkschaftsführer räumten ein, dass der Tarifabschluss von vielen Mitgliedern heftig kritisiert wird. Bei der GEW traten zahlreiche Mitglieder aus. Bei Ver.di seien „wütende Anrufe“ und „stapelweise Mails“ eingegangen, sagte Ver.di-Chefin Stumpenhusen. Die Alternative, ein tarifloser Zustand ohne Lohnerhöhung, sei aber inakzeptabel erschienen.

Nach monatelangen Verhandlungen hatten sich der rot-rote Senat und die Gewerkschaften am 30. Juni geeinigt. Danach wird das Einkommen der rund 100.000 Arbeiter und Angestellten gesenkt. Im Ausgleich erhalten sie mehr Freizeit. Für die Laufzeit des Vertrages bis Ende 2009 gibt das Land eine Beschäftigungsgarantie. ROT