: berliner szenen Eine Woche Abendschau
Die Fleischklopferin
Großes Gefühlskino zur Feierabendzeit. 19.30 Uhr in Berlin (West): Schultheissflasche pfloppen, Flimmerkiste auf Abendschau schalten und los geht’s mit den Geschichten, die das Herz rühren. Heute Abend wieder mit Altmeister Friedrich Moll – dem Gesicht der Abendschau. Ein älterer Herr, weißes Silberhaar, braun im Gesicht. Typischer Sylt-Urlauber also, der wohl gern wie der Vetter von Hans-Joachim Friedrichs aussehen möchte. Klappt nicht ganz, weil die Zähne schief, also schlechter und die Krawatte Discounter, also billiger, sind.
Aber jetzt: Mord mit dem Fleischklopfer. Eine 63-Jährige hat ihren Mann mit Klopper und Bügeleisen!! tot geprügelt. Wahnsinn. Schrecklich. Warum, wieso denn? Antworten liefert die Nachbarin, junge Frau, Typ verschüchterte Humana-Käuferin. Blaues Auge habe er immer wieder gehabt der Mann, und seinen Tabak hat er versteckt im Briefkasten. Rauchen ging nur im Keller. Schnitt: Nachbarin vor Holzverschlag im Keller. Zoom auf die drei Quadratmeter. Alte abgewetzte Matratze. Dort saß er dann, der arme Kerl und hat sich seine Lulle angesteckt, heimlich rauchen wie ein Schuljunge. Schwenk in den Gerichtssaal. Dort steht die Frau hinter Panzerglas, und wir hören sie heulen, so richtig Rotz und Wasser. Tut ihr jetzt wohl Leid, wa? Zu spät. Bild und BZ könnten’s nicht schöner erzählen. Friedrich Moll lächelt.
Nächstes Thema: Jugendklubs in Marzahn. Sieht ja immer noch krass aus drüben. Im Osten. Na ja, wird schon werden, die Abendschau wird auf jeden Fall so lange weitersenden, bis Friedrich Moll erzählen kann: „Meine Damen und Herren, eine Sensation zeichnet sich ab. Berlin ist wieder Berlin. Zur Stunde wird die Mauer wieder aufgebaut.“
HENNING KOBER