GEGENÜBER DEM NEUEN US-PRÄSIDENTEN MUSS EUROPA AKTIVER WERDEN : Anbruch der Ära Obama
Was kann leichter sein, als in genau dem Moment gut auszusehen, in dem man George W. Bush in Rente schickt? Kein US-Präsident in der jüngeren Geschichte der Vereinigten Staaten hat vor Amtsantritt eine so breite Unterstützung hinter sich gehabt wie Barack Obama. Nicht einmal Ronald Reagan, der 1980 einen Erdrutschsieg errungen hatte, zog mit so viel messbarem Wohlwollen ins Weiße Haus ein wie Obama im Jahr 2009.
Weltweit wird das Ende der Ära Bush begrüßt und Obama bejubelt für die einfache Tatsache, dass endlich ein Neuer im Oval Office den Hörer abnimmt. Den 44. Präsidenten begleiten Erwartungen, Hoffnungen und Wünsche auf seinem Weg ins Amt, die ihm eigentlich die Angststarre bereiten müssten. Nicht weniger als den „American Dream“, das Versprechen der Gründerväter auf eine beispielhafte Nation, gilt es wiederherzustellen. Nicht weniger hat Obama selbst versprochen.
Die kommenden Tage und Wochen werden uns schnell Einblicke geben, wie sie aussehen wird, die Ära Obama.
Wir in Europa haben nun ebenfalls die Chance zu einem Neuanfang. Denn selbst wenn Obama signalisiert, dass die USA wieder Partner sein wollen, müssen wir ihr dabei helfen, wieder einer zu werden. Der neue Präsident ist bereit zum offenen Umgang miteinander. Wir sollten das nutzen, bevor sich in Washington wieder Verkrustungen bilden. Also: Angebote machen, statt abzuwarten, und mit konkreten Ideen an Lösungen mitwirken.
Guantánamo wird ab heute ein Paradestück der zukünftigen transatlantischen Beziehungen werden. Wir können nicht danebenstehen und erst mal genüsslich zuschauen, wie der Neue die Suppe, die Bush ihm einbrockte, nun auslöffelt. Im Gegenteil. Hier müssen wir demonstrieren, wie wir uns verantwortungsvolles, moralisches Handeln vorstellen, indem wir zu Unrecht inhaftierte Guantánamo-Häftlinge aufnehmen und von den USA vehement beherzte Schritte verlangen. Die Ära Obama, wird uns schnell dämmern, wird unbequemer. Aber wann wurde ein Amtswechsel je zuvor so herbeigesehnt? ADRIENNE WOLTERSDORF