: Schreck an der Spitze
Neuer SPD-Chef in Hamburg ist Mathias Petersen. Olaf Scholz’ Nachfolger setzt sich als „Mann der Basis“ durch
HAMBURG taz ■ Die Überraschung ist beträchtlich: Mathias Petersen soll nach dem Willen der Hamburger SPD-Basis neuer Parteivorsitzender im Stadtstaat werden. In einem Mitgliederentscheid um die Nachfolge des Landeschefs Olaf Scholz setzte sich der 48-jährige Arzt und Bürgerschaftsabgeordnete gegen seinen favorisierten Rivalen, den vom Landesvorstand unterstützten Sozialpolitiker Knut Fleckenstein, 51, durch. Am 19. Juni muss Petersen vom Landesparteitag offiziell gewählt werden. Diese Formalie dürfte zugleich der Startschuss für erneute Debatten über die Zukunft der Partei sein.
Bei einer Wahlbeteilung von gut einem Viertel der 12.800 GenossInnen erhielt Petersen am Sonntagabend 56,5 Prozent Zustimmung, Fleckenstein nur 41,5 Prozent. So groß war der Schreck, dass die Spitzenleute der Partei Zuflucht zu improvisierten Worthülsen nehmen mussten: „Die SPD wird von diesem Ergebnis profitieren“, rang sich Scholz ab, der nach seinem Abschied als Generalsekretär der Bundespartei nun auch den Landesvorsitz abgeben muss. „Wir stehen jetzt beide in der Verantwortung“, so Fraktionschef Michael Neumann über seinen Abgeordneten Petersen, der nun von der Hinterbank versuchen wird, die parlamentarische Bühne zu nutzen.
Petersen, der sich in den vergangenen zwei Wochen bei acht Bewerbungsrunden in den Kreisverbänden als „Mann der Basis“ gegen Fleckenstein, den „Kandidaten der Funktionäre“, profilierte, verschlug sein Sieg ebenfalls die Sprache. Er wolle sich „nicht gleich jetzt programmatisch äußern“, sondern erst auf dem Parteitag.
Dass er das überhaupt kann, wird von manchen grauen Eminenzen der Partei arg bezweifelt. Nach einer Debatte hinter geschlossenen Türen über Hartz IV im Landesvorstand wurden Indiskretionen gestreut, dass Petersen das eine oder andere „Kompetenzproblem“ habe. Nicht zufällig war es Johannes Kahrs, Chef des mächtigen Kreisverbandes Hamburg-Mitte und im Bundestag Sprecher des parteirechten Seeheimer Kreises, der „die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen“ habe ob der vermeintlichen Unbedarftheiten Petersens.
Nach dem dreißigprozentigen Debakel bei der Hamburger Bürgerschaftswahl am 29. Februar, die mit der absoluten Mehrheit für CDU-Bürgermeister Ole von Beust endete, leckt die SPD noch immer ihre Wunden. Dass ausgerechnet der niedergelassene Allgemeinarzt Petersen über Patentrezepte verfügt, glaubt kaum einer der Kungelfürsten. Schon auf dem Parteitag in zwei Wochen dürften die ersten gewetzten Messer blinken.
SVEN-MICHAEL VEIT