Gift und Galle

Naturfrevel! Vergewaltigung! Karin Friedrichs gelbe Bäume in Oberneuland als Wutobjekte

Die goldgelbe Farbe macht die Bäume zu Sonnenstrahlen der Hoffnung

Der Ikensdamm in Oberneuland ist ein idyllischer Weg, gesäumt von alten Eichen. Zwei von ihnen sind jetzt gelb – angemalt von der Bremer Künstlerin Karin Friedrichs. Eine 15 Meter hohe tote Eiche hat Friedrichs komplett mit Farbe bedeckt, ein stark ausgehöhlter Baum schräg gegenüber leuchtet von innen. Der Titel dieser Intervention: „Madonna vom Ikensdamm“.

Ästhetisch ist das keineswegs besonders innovativ, weshalb die Kommission für Kunst im öffentlichen Raum dem Vorhaben die Förderung versagte. In Sachen Empörungswürdigkeit aber scheinen die Oberneuländer Gelblinge kaum zu toppen. Die umstrittene Novellierung der Baumschutzordnung vom vergangenen Jahr, der viele Bäume zum Opfer fielen? Die anstehende, nicht minder umstrittene Novelle der Novelle? Kinkerlitzchen im Vergleich zum Friedrichsschen „Naturfrevel“ – wie empörte Spaziergänger im Weserkurier (WK) schimpfen. Auch der WK-Kommentator spricht von „Zerstörung“ und „Verschandelung“. Für einen Leserbriefschreiber gleichen die Eichen einer „grell geschminkten Leiche“. Friedrichs Plan, „positives Denken statt Aggressionen“ hervorrufen zu wollen, scheint nicht gefruchtet zu haben.

Annelies Thiel, CDU-Sprecherin des Oberneuländer Beirats, mag der Malerin – die jahrelang im Berufsverband BBK aktiv war – die Bezeichnung Künstlerin nur in Anführungszeichen zubilligen. Thiel erklärt: „Diese Person hat sich in den Mittelpunkt gemogelt, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.“ Das Ergebnis: „Effekthascherei“. Und das Schlimmste: „Der Schaden muss letztlich vom Steuerzahler getragen werden.“

Der befürchtete Schaden bezieht sich weniger auf die Bäume als auf deren Bewohner: Raupen und Käfern sei der Lebensraum geraubt worden. Die örtliche BUND-Gruppe bezeichnet die Bemalung als Eingießen in „Plastik“. Bei Stadtgrün wird allerdings darauf hingewiesen, dass die verwendete Farbe ungiftig sei – und Ähnlichlichkeit mit dem früher oft verwendeten Baumbalsam habe. Im übrigen sei im betreffenden Bereich reichlich Totholz als Insektenbehausung vorhanden.

Was sagt die Künstlerin selbst zu ihrem „Frevel“? Sie habe die „prächtigen“, aber abgestorbenen Bäume mit der Bemalung schützen wollen, „bevor sie der Motorsäge zum Opfer fallen“. Warum mit Gelb? „Die goldgelbe Farbe macht die Bäume zu Sonnenstrahlen der Hoffnung“.

Der Hoffnung auf Fortsetzung ihrer Aktion ist allerdings ein Riegel vorgeschoben: Jens Eckhoff, Chef des Umweltressorts, hat per senatorischer Anweisung Bremens öffentlichen Baumbestand für Friedrichs für tabu erklärt. Derweil versuchen empörte Oberneuländer, die „vergewaltigte“ Eiche in Eigenarbeit frei zu kratzen. HB