berliner szenen Geh doch nach Brüssel

Wahlboykott

Es ist im Sommer ohnehin schon schwer genug, abends in der Tucholskystraße einen Parkmast für das Fahrrad zu finden. Und das, obwohl mein Schloss sogar um Laternen passt.

Gerade die sind jedoch zurzeit meist mit Wahlplakaten verbaut. „Lass dein Rad doch klauen – jetzt sind wir da“, scheinen die Gesichter zu sagen, Gesichter, die du noch nie zuvor gesehen hast, denn es ist Europawahl – das sieht man schon am Personal: diese Mischung aus DSF-Moderator und Kreisvorstand der „Republikaner“. Horst Müller oder Heinz Schulze oder so, ein Name wie Donnerhall – irgendwie schon mal gehört und doch ganz weit weg. Nach Brüssel lobt man den Bodensatz der Parteien, aus Ämtern heraus, in denen sie noch etwas anrichten könnten – vernünftig im Grunde, wenn’s nicht so teuer wäre. Andere Parteien sind klüger und lassen die Gesichter, die eh niemand kennt, gleich ganz weg. Dafür Slogans: „Lass dein Rad doch klauen“, steht auch hier, wenn nicht direkt, so doch zwischen den Zeilen. Ich beschließe auf jeden Fall keine der Parteien zu wählen, die mit ihrem Scheiß eine Straßenlaterne verbauen. Das macht jede, also werde ich niemanden wählen. Ich hätte sowieso nicht gewählt.

Daran, dass man überhaupt wählen soll, sieht man ja schon, wie unwichtig die Wahl ist. Bei wichtigeren Dingen erledigen das dagegen besser andere für den Bürger, diesen unmündigen Quatschkopf. Wenn ich gedurft hätte, hätte ich ja die Frisur gewählt, wie laut Umfrage die meisten anderen Quatschköpfe auch. Ich hätte gerne mal eine Frisur als Präsidentin gehabt. Schade. Für Europa würde ich allenfalls die Anti-Fahrradklau-Partei wählen: Die hätte natürlich nur einen kleinen Werbezettel hingeklebt und den Mast ansonsten frei gelassen. ULI HANNEMANN