: Schöner wohnen durch Abriss
Zwei ehemalige Erzfeinde, der Mieterverein und die Hausbesitzer, schließen sich zusammen, um den Stadtumbau auch im Altbau voranzutreiben. Geplant ist auch eine „Bürgerbauausstellung 2010“
VON UWE RADA
Ungewöhnliche Vorhaben erfordern manchmal ungewöhnliche Bündnisse. Um den Stadtumbau auch in den Altbauquartieren voranzubringen, haben sich nun der Berliner Mieterverein und sein einstiger Gegner, der Haus- und Grundbesitzerverein „Haus & Grund“ zusammengeschlossen. Das ist, wie Haus-&-Grund-Chef Dieter Blümmel süffisant anmerkte, das erste Bündnis dieser Art seit 1945.
Und es ist ein überfälliges. Seit langem nämlich fordern Vordenker in der Stadtumbaudebatte auch einen Rückbau im Altbaubestand. Der Grund: Nicht nur in den Großsiedlungen der Nachkriegszeit wie Marzahn oder Hellersdorf wächst der Leerstand und schrumpft die Bevölkerung, sondern auch in klassischen Altbauquartieren wie Neukölln oder dem Wedding. Rückbaumaßnahmen sind dort aber nur schwer planbar und durchsetzbar – wegen der kleinteiligen Eigentümerstruktur.
Hier will nun Dieter Blümmel Abhilfe schaffen. „Bislang haben Eigentümer, die mit Leerstand konfrontiert wurden, oft auf Abriss gewirtschaftet“, sagte Blümmel gestern bei einer gemeinsamen Veranstaltung unter dem Titel „Qualitätsoffensive Berlin“. „Wir wollen auch eine Alternative aufzeigen. Wer einen Teil der Wohnungen abreißt, um neue, hochwertige Wohnungen zu schaffen, wird merken: Manchmal ist weniger mehr.“
Wenig haben sich Blümmel und Mietervereinschef Hartmann Vetter aber nicht vorgenommen. Ihre „Qualitätsoffensive Berlin“ soll 2010 sogar in eine „Bürgerbauausstellung“ münden. Nach den beiden Internationalen Bauausstellungen 1957 und 1987 soll 2010 das Thema „Schrumpfung als Chance“ im Vordergrund stehen.
Was das bedeutet, erläuterte gestern Armin Hentschel vom Potsdamer Institut für Soziale Stadtentwicklung. „Die Leute fragen mehr und mehr nach Wohnungen mit einem Zugang zum Freien. Man will sich sowohl in den eigenen vier Wänden als auch draußen aufhalten, und das möglichst privat, also geschützt vor der Öffentlichkeit.“ Ziel der Bauausstellung sei es daher, „diese Qualitäten, die man sonst nur am Stadtrand findet, auch in der Innenstadt anzubieten“.
Das wolle man vor allem im Bestand realisieren, betonte Vetter. Zugleich zerstreute er die Furcht vor steigenden Mieten. „Es geht hier im Wesentlichen um Altbauten mit großem Leerstand. Da sind die Leute ohnehin schon weg.“ Die verbliebenen Mieter sollen darüber hinaus durch „Mietervereinbarungen“ geschützt werden.
Vetter, Hentschel und Blümmel ließen gestern keinen Zweifel daran, dass es ihnen mit ihrer Initiative auch um eine Zäsur in der Berliner Stadtentwicklungspolitik geht. „Bislang hat der Senat doch immer nur gebaut, was er selbst im Kopf hatte“, sagte Vetter. „Mit den konkreten Nutzervorstellungen hatte das nichts zu tun.“
„Das ist auch der Grund“, ergänzte Blümmel, „warum wir Senatsbaudirektor Hans Stimmann gar nicht erst gefragt haben.“ Schließlich stelle sich die Frage, ob es überhaupt Sinn mache, Stimmann nach irgendetwas zu fragen.
Stimmanns Unterstützung ist auch nicht gefordert. Schließlich will die „Bürgerbauausstellung 2010“ kein Geld aus öffentlichen Töpfen, sondern ihre Projekte „von unten entwickeln“, wie Armin Hentschel betonte. „Wenn sich herausstellt, dass die Projekte funktionieren, findet das auch Nachahmer.“
Die Rahmenbedingungen jedenfalls sind besser als noch vor einigen Jahren. Zwar gibt es in Berlin noch immer eine Abrisshemmung, die aus alten Zeiten der Stadtsanierung stammt. Doch eine Hürde ist gefallen – die Zweckentfremdungsverbotsverordnung. Die nämlich verlangte für jeden Quadratmeter abgerissenen Wohnraum 1.500 Euro als „Ablösesumme“.
Dass es um die Abschaffung dieser Verordnung noch vor geraumer Zeit bitteren Streit zwischen beiden Verbänden gab, davon war gestern keine Rede. Das ist nun mal so bei ungewöhnlichen Bündnissen.