Gipfel der acht soll erweitert werden

Während sich bis morgen in Georgia die Staatschefs der acht führenden Industrienationen treffen, werden die Stimmen nach einer Reform der Gruppe lauter. An die Spitze der Modernisierer hat sich Kanadas Premier Paul Martin gesetzt

BERLIN taz ■ Zum 30. Mal treffen sich seit gestern die Staats- und Regierungschefs der führenden Industriemächte zum jährlichen Gipfel. Einer von ihnen, der kanadische Premierminister Paul Martin, will den Club reformieren. Auch Politikwissenschaftler halten die Gruppe der Acht angesichts der neuen globalen Herausforderungen für zu klein und falsch zusammengesetzt. Sie suchen daher nach Alternativen.

Beim ersten Treffen 1975 nahmen mit Deutschland, Frankreich, Großbritannien, den USA, Japan und Italien sechs Staaten teil und suchten nach Wegen aus der Ölkrise. Ein Jahr später kam Kanada dazu, 1998 schließlich Russland. Seitdem heißt der Club G 8. Wollte man heute die größten Wirtschaftsmächte einladen, dann säße auch China mit am Tisch. Die Volksrepublik hat nämlich beim Sozialprodukt längst Italien und Kanada den Rang abgelaufen.

Während der Kreis der Clubmitglieder gleich blieb, stieg die Zahl der behandelten Themen jedoch beträchtlich an. Bei den ersten Gipfeln ging es noch ausschließlich um Wirtschafts- und Finanzpolitik. Inzwischen stehen auch Terrorismus, Kriminalität oder Energie auf der Agenda. Michael Zürn, Direktor des Instituts für Internationale Studien an der Universität Bremen, sieht das kritisch: „Früher betrafen die Themen im Kern die G 8, heute müsste mit dem erweiterten Themenspektrum auch die Gruppe der Länder größer werden.“ Zürn sieht zwar Themen wie Weltkonjunktur und Steuerentwicklung weiterhin gut bei den G 8 aufgehoben. Für neue Themen wie Terrorismus, Umweltprobleme oder Finanzkrisen wäre laut Zürn aber eine größere und damit repräsentativere Gruppe sinnvoller.

Genau in diese Richtung geht ein Vorschlag, den der kanadische Premierminister Ende April in Washington unterstützte. Die Idee: Man sollte die G 8 erweitern und so ein neues Gremium schaffen – die G 20. Die Gruppe würde dann neben den derzeitigen acht „G-Staaten“ auch die wichtigsten Länder aller Kontinente umfassen, etwa Brasilien, China, Südafrika, Australien. Martin hofft, so „die Wir-gegen die-Mentalität, die auf so vielen internationalen Konferenzen vorherrscht, zu überwinden.“

Die neue Idee ist die Weiterentwicklung einer alten: Auf der Ebene der Finanzminister gibt es die G 20 nämlich bereits seit 1999. Erster Vorsitzende war Paul Martin – damals noch kanadischer Finanzminister. Seitdem trifft man sich einmal pro Jahr, um Fragen des internationalen Währungs- und Finanzsystems zu erörtern. Derzeit hat der deutsche Finanzminister Hans Eichel den Vorsitz dieser fast unbekannten Gruppe inne. Die Reformer wollen dieses Forum aufwerten. Und dafür brauchen sie die Teilnahme der Staats- und Regierungschefs.

Heribert Dieter von der Stiftung Wissenschaft und Politik ist überzeugt, dass Deutschland und die meisten anderen großen Staaten eine solche Reform unterstützen würden. Mit einer Ausnahme: „Bei den USA ist die Bereitschaft zur Kooperation nicht erkennbar.“ So könnte der Widerstand der US-Administration die Initiative vorerst zum Stoppen bringen. Möglich wäre dann allenfalls noch eine G 19.

NIKOLAI FICHTNER