: Diego umdribbelte Fahrprüfung
Schnelles Ende im Korruptionsprozess um Führerscheine für ausländische Fußballer – Staatsanwalt, Verteidiger und Gericht trafen im Vorfeld Absprachen. Diego, Marcelinho und die anderen Fußballer mussten nicht vor Gericht erscheinen
Nicht-EU-Ausländer dürfen mit Führerscheinen aus dem Heimatland ein halbes Jahr lang in Deutschland fahren. Lassen sie in dieser Zeit ihre Fahrerlaubnis umschreiben, müssen sie die theoretische und praktische Prüfung absolvieren. Unterricht und Fahrstunden müssen sie dafür nicht nehmen. Verstreicht die Halbjahresfrist, müssen sie laut Gesetz die komplette Fahrausbildung und Prüfung wie ein Anfänger absolvieren. In jedem Fall sind Erste-Hilfe-Kurs und Sehtest vorgeschrieben. DPA
Von REIMAR PAUL
Wer sich auf ein womöglich Jahre langes Verfahren mit Zeugen-Auftritten von Diego, Marcelinho und anderen brasilianischen Fußball-Künstlern gefreut hatte, wurde gestern enttäuscht: Nach nur einem halben Tag sprach die Wirtschaftskammer des Göttinger Landgerichts gestern Recht im Bestechungsprozess um Führerscheine für ausländische Fußball-Profis.
Ein 57 Jahre alter Fahrlehrer aus dem Kreis Northeim erhielt wegen gewerbsmäßiger Bestechung und Urkundenfälschung eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren, ein 42-jähriger ehemaliger Regionalleiter des TÜV Nord bekam wegen Bestechlichkeit 18 Monate auf Bewährung. Sie gilt in beiden Fällen für drei Jahre. Die Verurteilten müssen überdies Geldbußen von 10.000 bzw. 7.500 Euro an die Landeskasse zahlen. Da alle Prozessbeteiligten auf Rechtsmittel verzichteten, ist das Urteil rechtskräftig.
Dass der Prozess nach fast zwei Jahren dauernden Ermittlungen so schnell über die Bühne ging, lag an Absprachen der Beteiligten im Vorfeld. Wie der Vorsitzende Richter August-Wilhelm Marahrens dem staunenden Publikum erläuterte, sollten im Gegenzug für weit reichende Geständnisse Bewährungsstrafen von höchsten zwei bzw. anderthalb Jahren verhängt werden.
Und so kam es dann auch. In von ihren Anwälten verlesenen Erklärungen räumten die Beschuldigten die ihnen zur Last gelegten Taten teilweise ein. Der Fahrlehrer gestand, dem TÜV-Mitarbeiter in fünf Fällen für falsche Prüfbescheinigungen jeweils 500 Euro gezahlt zu haben. Der Regionalleiter bestätigte die Zahlungen an ihn. In einem dieser Fälle ging es um den Führerschein für Werders Superstar Diego. Der habe seine theoretische Prüfung im Bremer „Park Hotel“ abgelegt und die Antworten nach Kopfnicken des TÜV-Mitarbeiters ins Formular eingetragen. Eine praktische Prüfung gab es nicht. Dennoch bestätigte der TÜV-Mann das Bestehen. Der Fahrlehrer gab außerdem zu, insgesamt elfmal Unterlagen für die Führerscheinprüfungen gefälscht zu haben.
Die Angeklagten hätten „ein Korruptionssystem aufgebaut“ und seien dafür „angemessen bestraft“ worden, befand Richter Marahrens. Entlastend habe die Kammer neben den Geständnissen den Umstand gewertet, dass die Beschuldigten nicht vorbestraft waren. „Sie waren ehrbare Bürger, bis die Fußballleidenschaft kam“, sagte Marahrens. Dass es bei Bewährungsstrafen geblieben sei, hätten die beiden Männer ihren Verteidigern und dem Staatsanwalt zu verdanken, die „professionell“ der Abkürzung des Verfahrens zugestimmt hätten.
Auch Götz-Werner von Fromberg, der Verteidiger des Fahrlehrers und Sozius von Ex-Kanzler Schröder, würdigte gegenüber der taz die „verfahrensbeendende Vereinbarung“. Sie habe ein zeitaufwändiges Verfahren verhindert, dem Staat und den Angeklagten Kosten erspart sowie diese vor dem Gefängnis bewahrt. Staatsanwalt Daniel Facca verwies darauf, dass beide Männer durch die Ermittlungen schon jetzt berufliche und persönliche Nachteile erlitten hätten: Der Fahrlehrer ist seit einem halben Jahr krank geschrieben, befindet sich in psychotherapeutischer Behandlung und hat nach eigenen Angaben eine Antrag auf Berufsunfähigkeitsrente gestellt. Dem Fahrprüfer wurde im Januar vom TÜV gekündigt.
In der Fahrschule im Kreis Northeim hatten mehrere Dutzend Fußball-Profis ohne ordnungsgemäße Prüfung ihre deutschen Führerscheine erhalten. Die Gerichtsakten nennen nach taz-Informationen neben Diego weitere prominente Spieler wie Marcelinho, Dede, Amoroso oder Roque Junior. Gegen die Fußballer wurde nicht ermittelt. Unklar bleibt, inwieweit sie über die Unregelmäßigkeiten informiert waren. „Sie wussten nicht, dass etwas Unrechtes dahinter steht“, erklärte gestern die Staatsanwaltschaft. Die Fußballer hätten meist keine Ahnung vom deutschen Rechtssystem in diesem Bereich. Andererseits hatten mehrere Kicker, unter ihnen Diego, gegenüber Medien bestätigt, dass sie keinen regulären Fahrschulunterricht hatten.
Die Spieler mussten sich und ihre Fahrzeuge vorübergehend im Kreis Northeim anmelden. Diegos Luxus-Mercedes – inzwischen müssen die Werder-Profis mit Fahrzeugen des Club-Sponsors VW zum Training vorfahren – führte nach Augenzeugenberichten zumindest eine Zeit lang das Kürzel NOM (für Northeim) auf dem Nummernschild.