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Knetende Hände

Das Brot der Erinnerung: Eine Solo-Performance vonDeb Filler über Essgewohnheiten und Familiengeschichte

„I don’t want her, you can have her, she’s too fat for me.“ Über diesen Song kann Deb Filler nur lachen. Selbstbewusst bringt die Neuseeländerin jüdischer Abstammung in ihrer Solo-Performance „Filler up“ ihr Leben auf die Theaterbühne der „Friends of Italian Opera“.

Klar hat sie ein paar Pfunde zu viel, doch daran hat sich Deb längst gewöhnt. Immerhin ist sie in einer Bäckerei aufgewachsen, erzählt sie mir nach der Performance. „My family loves to eat“, amüsiert sich Debbie, wie sie von ihrer Familie liebevoll genannt wird, über eine, zugegeben, verhängnisvolle Leidenschaft. Die Folge: Alle Frauen in ihrer Familie waren dick, was auf der Bühne zu ihrem Thema wird. Viel muss Deb mir eigentlich nicht mehr erzählen, hat sie doch in „Filler up“ beinahe alles gesagt. Doch Vorsicht: Vieles ist erdacht, wie sie hinterher gesteht, „artistic license“.

Zu dieser künstlerischen Freiheit gehört, dass Deb auf der Bühne immer wieder zur Gitarre greift und losschmettert. „In meiner Familie wurde bei Festen immer viel musiziert“, erzählt die Neuseeländerin. Deshalb schätzt sie die jüdische Tradition so sehr, obwohl sie selbst Buddhistin geworden ist. Gefeiert wurde bei den Fillers immer wieder die Freiheit, und das mit gutem Grund: Debs Mutter war in der NS-Zeit vor den Nazis auf der Flucht und ihr Vater ist ein Überlebender eines Konzentrationslagers. Unvorstellbar, dass er nicht nur für seine Befreier, sondern auch gleich für die Deutschen fleißig Brot gebacken hat. Ihren Zuschauern erzählt Deb, wie immer leicht ironisch, ihr Vater habe es nie übers Herz gebracht, auch nur ein Stückchen wegzuwerfen. Also bekam Debbies Hund alle Reste, ihre Mutter, die sich zwar ständig durch neue Diäten quälte, war ja ohnehin schon zu dick. Was will man auch machen, wenn man eine Vorliebe für Käsekuchen hat, die sogar so weit reicht, dass die alte Dame ihrer Tochter überallhin einen Kuchen schickt.

Deb stellt mir die Mutter, die sie diesmal sogar nach Deutschland begleitet hat, später vor. Seitdem sie vor zehn Jahren nach Kanada gezogen ist, sieht sie die Mutter nur noch selten. Zuletzt, als der Vater schwer krank war. Ihre Performance endet dann auch anrührend mit dem Tod des Vaters: Als er im Krankenhaus lag, bewegte er im Schlaf seine Hände, als ob er sein geliebtes „Challah bread“, ein Zopfbrot, backen würde.

BRITTA KUCK

„Filler up“, Friends of Italian Opera, Fidicinstr. 40, bis 16. Juni, 20 Uhr

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