piwik no script img

Archiv-Artikel

Wo die Musik spielt

Im SAE-Institut werden Ohren geschult, Mischpulte erschlossen und Rückkopplungen bekämpft. Das Ziel: Tontechniker werden

VON MIRKO HEINEMANN

Hinter der Glasscheibe drehen zwei Jungs Anfang zwanzig an den Knöpfen eines meterlangen Mischpults. Konzentriert lauschen sie auf die Musik, die aus den Boxen kommt. Hier herrscht Rauchverbot, über dem Mischpult angebrachte Schilder verbieten das Essen und Trinken.

Der Raum nebenan erinnert an ein Sprachlabor. Die Schüler tragen Kopfhörer und blicken auf Computermonitore. Über einem davon steht „Golden Ears“. „Ein Übungsplatz für die Gehörschulung“, erläutert der Schulleiter der SAE Berlin, Timo Krämer. Die angehenden Techniker lernen hier, Tonfrequenzen einzuschätzen. „Wenn ich bei einem Konzert eine Rückkopplung habe, muss ich sofort hören, welche Frequenz das ist.“ Daran also erkennt man den Fachmann: Er stellt das Pfeifen rechtzeitig ab, bevor das Publikum schreit.

Die „School of Audio Engineering“ SAE wurde 1976 von dem australischen Toningenieur Tom Misner gegründet. Heute ist das Konzept um diverse Ausbildungsgänge im Multimediabereich erweitert. Doch die meisten der rund 350 Studenten, die zurzeit in Berlin eingeschrieben sind, wollen den Abschluss als „Audio Engineer“, Tontechniker, erwerben. Den gibt es nicht umsonst: Wer an der SAE Tontechnik studieren will, zahlt 390 Euro pro Monat, „Digital Film Maker“ sogar 530 Euro.

Mittlere Reife oder eine abgeschlossene Berufsausbildung ist Pflicht, genau wie ein intaktes Gehör. Letzteres muss durch ein so genanntes Audiogramm vom Ohrenarzt belegt werden. Wer sich für einen der Ausbildungsgänge an der SAE interessiert, sollte vor der Einschreibung mit dem Schulleiter sprechen und probehalber am Unterricht teilnehmen. Tontechniker-Aspiranten müssen sich auf Fächer wie Elektrotechnik und Mathe einstellen, zum Studium gehören Begriffe wie „Signalflussdiagramm“ und „Endstufenschaltkreis“. „Man muss die Geräte nicht bauen können“, sagt Timo Krämer, „aber man muss wissen, wie sie funktionieren.“ Die Abschlussprüfung an der SAE umfasst unter anderem eine komplette Musikproduktion, von der Aufnahme im Studio bis zur fertigen CD.

15 Monate dauert die Ausbildung. Sie fordert mindestens 25 Stunden pro Woche. „Arbeiten nebenbei“, sagt Timo Krämer, „ist nicht nur gestattet, sondern erwünscht – am besten natürlich in einem branchennahen Job.“ Die Berufsbezeichnung „Tontechniker“ ist nicht geschützt, das SAE-Diplom ist somit nirgendwo zwingender Türöffner. Beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk müssen Techniker eigentlich einen Studienabschluss als Toningenieur vorweisen. Diese Regel weiche aber langsam auf, meint Timo Krämer. Stolz präsentiert er das Schreiben eines Tonmeisters des Senders Freies Berlin, der einen Kurs an der SAE empfiehlt. Doch Timo Krämer warnt vor überzogenen Erwartungen an den Beruf: „Tontechniker ist keine Beamtenlaufbahn.“

Ein SAE-Dozent, der seit acht Jahren als Tontechniker in der Hörfunkwerbung arbeitet, sieht auch kritische Punkte. So sei zwar der Bekanntheitsgrad der SAE-Zertifikate mittlerweile in der Branche recht hoch. Trotzdem sei man mit einem SAE-Abschluss gegenüber Uniabsolventen im Nachteil. Er empfiehlt eine SAE-Ausbildung parallel zur praktischen Arbeit oder zur Vorbereitung auf eine Aufnahmeprüfung an einer Universität. Als Alleinausbildung, meint der Dozent, der nicht namentlich genannt werden will, reiche sie nicht aus.

Wer will, kann an der SAE auch einen Uniabschluss machen. Der Titel eines Bachelor of Arts wird SAE-Schülern von der britischen Middlesex University verliehen. Er kann für eine internationale Karriere von Vorteil sein, hierzulande aber kann er den „Toningenieur“ nicht ersetzen. Doch, so SAE-Schulleiter Timo Krämer: „Man lernt die Mechanismen der Musikindustrie kennen.“ Auf dem Stundenplan stehen neben der Technik auch Management und Marketing.

SAE-Institute gibt es in Deutschland in Berlin, München, Köln, Frankfurt am Main, Stuttgart, Hamburg; in Kürze eröffnet Leipzig. Infos: www.sae.edu